Ständig erscheinen neue Comics aus verschiedenen Universen, da ist es schwer, den Überblick zu behalten. Egal, ob DC, Marvel, Star Wars oder komplett andere Serien – immer stellt sich die Frage, was man sich als Nächstes holen soll. Um euch die Entscheidung etwas zu erleichtern und eine stärkere Übersicht zu gewährleisten, geben wir euch immer mal wieder Kritiken zu den neuesten deutschen Ausgaben verschiedener Comics. Viel Spaß mit unserer Kritik zu Der überlegene Spider-Man 2.
Erscheinungsdatum | 14.01.2025 |
Zeichner | Mark Bagley |
Autor | Dan Slott, Christos Gage |
Format | Softcover |
Seitenanzahl | 104 |
Stories | Superior Spider-Man (2024) 5–8 |
Preis | 14,00 € |
Als 2013 mit Der überlegene Spider-Man eine der gewagtesten Wendungen in der Geschichte des Spinnenhelden erschien, staunten Fans und Kritiker gleichermaßen: Otto Octavius, besser bekannt als Doctor Octopus, hatte Peter Parkers Körper übernommen – und war fest entschlossen, ein „überlegener“ Spider-Man zu sein. Diese kontroverse, aber zugleich faszinierend tiefgründige Storyline brachte frischen Wind ins Marvel-Universum und hinterließ einen bleibenden Eindruck.
Mit dem Neustart der Reihe im Jahr 2024 wagte Marvel einen weiteren Schritt zurück ins Octavius-Zeitalter – diesmal jedoch unter neuen Vorzeichen. Band 1 der neuen Der überlegene Spider-Man-Reihe knüpfte stilistisch und thematisch an Altbekanntes an, zeigte dabei aber auch Ambitionen, neue erzählerische Wege zu beschreiten.
Nun liegt mit Band 2 die Fortsetzung vor – und es stellt sich die Frage: Kann die Reihe an frühere Stärken anknüpfen, oder droht das Konzept unter seinem eigenen Anspruch zu zerbrechen?
Danke an Panini für das Bereitstellen des Rezensionsexemplars!
Inhalt:
In einem explosiven Showdown müssen Spider-Man und sein einst erbitterter Feind Doctor Octopus widerwillig Seite an Seite kämpfen, um Anna Maria aus den Fängen der rachsüchtigen Schurkin Supernova zu befreien – einer Gegnerin, die noch eine offene Rechnung mit Octavius hat, ausgelöst durch seine selbstherrliche Zeit als überheblicher Spider-Man.
Während die beiden Helden ihre Differenzen notgedrungen beiseitelegen, wächst die Bedrohung: Spider-Boy und ganz New York geraten ins Visier des brillanten, aber gnadenlos bösartigen Otto Octavius, der offenbar noch immer finstere Pläne verfolgt. Im großen Finale eskaliert die Lage in einem dramatischen Gefecht, das über Freundschaft, Vergebung – und das Schicksal der gesamten Stadt – entscheiden wird.
Wie schon der erste Band hat mir auch die Fortsetzung richtig gut gefallen – besonders die Art und Weise, wie die Beziehung zwischen Peter und Otto dargestellt wird. Die beiden sind nämlich nicht einfach nur klassische Feinde, sondern tragen eine gemeinsame Vergangenheit, in der sie immer wieder zwischen Freundschaft und Feindschaft wechselten. Diese komplexe Dynamik bleibt das emotionale Herzstück der Geschichte.
Der zweite Band geht das Ganze etwas größer an: Spider-Boy wird stärker eingebunden, und auch die Verknüpfung mit früheren Ereignissen der Originalreihe wird elegant umgesetzt. Das ergibt ein stimmiges Gesamtbild, das sich wie eine gelungene Hommage an eine der besten Spider-Man-Äras anfühlt. Ich hatte durchgehend Spaß…
…bis zum Ende. (Achtung, Spoiler!)
Denn während der Comic bis dahin überzeugt und mir richtig Lust auf mehr gemacht hat, hat mich das Finale enttäuscht. Es fehlt der Mut, eine Geschichte zu erzählen, deren Konsequenzen über das Heft hinaus Bestand haben. Stattdessen wird – mal wieder – der Reset-Knopf gedrückt: Otto verliert sein Gedächtnis, Peter macht einfach weiter. Das ist schade, denn gerade die ursprüngliche Reihe war dafür bekannt, neue Wege zu gehen und langfristige Entwicklungen zu wagen. Und Dan Slott kann das – das wissen wir.
So bleibt Band 2 eine in sich geschlossene, unterhaltsame Geschichte, die jedoch kaum nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Schade – da wäre mehr drin gewesen, oder?
Trotzdem: Wer auch nur ansatzweise Interesse an der Originalreihe hatte oder Spider-Man-Fan ist, sollte sich diese neue Der überlegene Spider-Man-Reihe nicht entgehen lassen. Sie bietet mehr, als man auf den ersten Blick vermutet.
Zeichnung:
Die Zeichnungen von Mark Bagley unterstützen das Geschehen solide – sie passen zur Story und liefern einige wirklich starke Panels, auf denen man gerne mal länger verweilt. Dennoch wirken sie in der Gesamtwirkung eher generisch. Das liegt vermutlich auch an meiner persönlichen Vorliebe: Der klassische Stil ist für mich nicht mehr ganz zeitgemäß, besonders bei einer Figur wie Otto, die so viel innere Zerrissenheit und Ambivalenz mitbringt.
Gerade hier hätte ich mir etwas mehr visuelles Experimentieren gewünscht – etwa durch den Einsatz von Farbgebung, um Ottos innere Wandlungen zu verdeutlichen. Solche stilistischen Akzente hätten die emotionale Tiefe der Geschichte zusätzlich unterstrichen.
Nichtsdestotrotz ist Der überlegene Spider-Man 2 auch visuell ein solider Comic mit einigen starken Momenten – und vor allem Fans des klassischen Marvel-Stils werden hier voll auf ihre Kosten kommen.
Fazit zu Der überlegene Spider-Man 2:
Der überlegene Spider-Man 2 knüpft in vielerlei Hinsicht an die Stärken seines Vorgängers an und vertieft die zentrale Frage: Wer ist Otto Octavius wirklich – ein Held, ein Antiheld oder doch ein Schurke, der sich selbst nie ganz trauen kann? Die Geschichte versteht es, diese moralische Grauzone geschickt auszuloten, indem sie Peter Parker und Otto erneut aufeinandertreffen lässt – diesmal nicht im erbitterten Konflikt, sondern als widerwillige Verbündete. Dieser erzählerische Kniff erlaubt eine differenzierte Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit und bringt spannende Dynamiken zutage.
Besonders gelungen ist die Darstellung der komplizierten Beziehung zwischen den beiden Protagonisten. Der Comic vermeidet einfache Gut-Böse-Schablonen und zeigt, wie tief verankert die persönliche Geschichte zwischen Peter und Otto ist. Ihre gemeinsamen Erlebnisse haben sie geprägt – und gerade diese Ambivalenz verleiht dem Comic emotionale Tiefe. Dass mit Spider-Boy ein jüngerer Held in die Handlung integriert wird, funktioniert ebenfalls gut, ohne zu aufgesetzt zu wirken. Stattdessen verleiht seine Rolle dem Geschehen eine frische, moderne Note.
Weniger überzeugend fällt hingegen das Ende aus. Nach einem dramatisch aufgebauten Finale zieht die Story in letzter Minute die Reißleine – und setzt damit auf einen altbekannten Marvel-Mechanismus: Reset statt Konsequenz. Dieser Schritt mag narrativ sicher sein, raubt der Geschichte jedoch einen großen Teil ihres emotionalen Gewichts. Gerade weil der Band sich zuvor traut, Fragen nach Schuld, Vergebung und Verantwortung aufzuwerfen, wirkt das abrupte Zurückrudern umso enttäuschender.
Dennoch bleibt Der überlegene Spider-Man 2 eine unterhaltsame, in weiten Teilen sogar sehr gelungene Fortsetzung, die mit starken Charaktermomenten und einem hohen Erzähltempo punktet. Wer sich schon vom ersten Band mitreißen ließ oder die Originalreihe mochte, wird auch hier auf seine Kosten kommen. Und selbst wenn der große Wurf diesmal ausbleibt, beweist der Band, dass das Konzept von Otto Octavius als „überlegenem“ Spider-Man auch nach all den Jahren nichts von seiner Faszination verloren hat.
Marvel zeigt hier erneut, wie viel erzählerisches Potenzial in alten Figuren steckt – auch wenn der Mut, dieses Potenzial voll auszuschöpfen, am Ende ein wenig fehlt.