The Legend of Heroes: Trails from Zero bei uns im Test

von Dennis
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Glorreiche Rückkehr eines Rollenspiels oder doch bloß Retro-Ramsch? Unser Test zu The Legend of Heroes: Trails from Zero auf der Nintendo Switch.


Japan, September 2010 – unbeirrt der Opulenz eines längst veröffentlichten Final Fantasy X, rotiert in den Laufwerken zahlreicher Playstation Portables ein Rollenspiel der besonderen Art: The Legend of Heroes: Trails from Zero. Mit knuffiger Sprite-Optik, seiner spannenden Story, der unglaublich guten Charakterentwicklung und spaßigen Kampfmechaniken, katapultierte sich das J-RPG damals in die Herzen japanischer Fans. Ein knappes Jahr später sollte der Titel sogar auf dem chinesischen Markt Fuß fassen und dort zahlreiche Anhänger gewinnen. Der Westen hingegen, tja, der ging mal wieder leer aus. Bis jetzt, denn irgendwann streichen auch zwölf ganze Jahre ins Land, und dank Fan-Lokalisierung und Publisher NIS America, kommen wir nun ebenfalls in den Genuss des Retro-Rollenspiels.

Narrativ irgendwo zwischen bislang Steam-exklusiven Ablegern, Nintendo Switch– und Playstation-Releases der The Legend of Heroes-Reihe und der für das nächste Jahr geplanten Neuveröffentlichung von Trails to Azure angesiedelt, schließt der Titel erneut eine Lücke im ereignisreichen Universum aus politischen Unruhen und fantastischen Kreaturen. Zugegeben, diese Lücke fällt hierzulande deutlich größer aus, da uns schlicht immer noch wichtige Ableger der Serie fehlen, doch die Europa-Premiere von Trails from Zero lohnt sich auch ohne chronologische Einordnung. Entwickler Nihon Falcom zeigt nämlich einmal mehr, wer die wirklich guten J-RPGs auf unsere Bildschirme zaubert.

Trails from Zero 2 The Legend of Heroes: Trails from Zero bei uns im Test

Heimkehr mit Hindernissen

Von einer komplizierten Rückkehr kann übrigens auch Protagonist Lloyd sprechen. Einem verheißungsvollen Jobangebot der Special Support Section (SSS) folgend, kehrt der junge Musterschüler nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung der hiesigen Polizeiakademie in seine Heimat zurück. Das kleine Städtchen Crossbell lockt aber nicht bloß mit beruflichen Möglichkeiten, alte Freunde warten hier ebenfalls auf ein Wiedersehen. Die machen sich allerdings erstmal rar und auch unsere neue Stelle in der Spezialeinheit haben wir uns ein klein wenig anders vorgestellt. Statt ehrenvollem Dienst voll heldenreicher Taten, bei denen uns das Volk in den Armen liegt, darf sich Lloyd erstmal an mühseliger PR-Arbeit für die örtliche Polizei versuchen – und die fängt ganz unten an. Denn einen guten Ruf genießt die Staatsmacht unter den Einwohnern von Crossbell schon lange nicht mehr. Völlig unterbesetzt und permanent überfordert, wenden sich besorgte Bürger mit ihren Nöten lieber an die konkurrierende Miliz. Übelnehmen kann man es ihnen nicht, schließlich hat die sogenannte Bracer Guild viel größeren Einfluss (und die cooleren Outfits!).

Ein Blick in die Runde unserer neu gebildeten Einsatztruppe verheißt ebenfalls wenig Gutes. Die besteht neben Detektiv-Genie Lloyd aus drei weiteren Wunderkindern, die zwar allesamt über ganz besondere Fähigkeiten verfügen, aber partout nicht in die Stellenbeschreibung passen. Tio ist mit ihren 14 Jahren die Jüngste im Bunde und eigentlich nur dabei, um den frisch entwickelten Zauberstab der Epstein Foundation, einem führenden Technologie-Konzern, in der Praxis zu testen. Schwerenöter Randy hingegen kann zwar schon Kampferfahrung aufweisen, allerdings eher als Prügelknabe, während Schlusslicht Elie für die alternative Berufsperspektive sogar ihr Politikstudium auf Eis gelegt hat. Puh, na das kann ja heiter werden.

Es ist eben genau diese langsame Geschwindigkeit, die dafür sorgt, dass wir umso stärker mit der unglaublich inhaltsreichen Spielwelt aus altertümlichen Gebäuden und futuristisch anmutender Technologie verschmelzen

Doch keine Sorge, bereits im Prolog erhalten wir eine clever eingebaute Vorschau auf spätere Ereignisse und die haben weitaus mehr zu bieten, als es der gemütliche Auftakt vermuten lässt. So eine beherzte Rettungsaktion im verzweigten Tunnelsystem unter der Stadt, wo wir gegen schleimige Monster kämpfen und zwei vermisste Jungs retten, bietet zwar schon einen angemessenen Auftakt, doch die spätere Entdeckung einer landesweiten Bedrohung durch kulturelle Mächte hat natürlich viel größeres Potential, uns narrativ voll abzuholen. Mehr sei an dieser Stelle auch gar nicht verraten, dafür fällt der langsam strukturierte Aufbau der Geschichte viel zu spannend aus. Klar ist aber, dass The Legend of Heroes: Trails from Zero in seiner gesamten Spielzeit von knapp 40 bis 50 Stunden durchweg auf hohem Niveau unterhält und mit etlichen Wendungen überrascht. Wir fühlen Lloyds anfängliche Euphorie, die Enttäuschung über vermeintlich falsche Erwartungen an den Job, aber genauso seinen Enthusiasmus doch Teil dieser Einheit zu bleiben, um zwar erstmal lästige Gefälligkeitsarbeiten zu leisten, letztendlich aber den gesamten Kontinent vor seinem Untergang zu bewahren. Es ist eben genau diese langsame Geschwindigkeit, die dafür sorgt, dass wir umso stärker mit der unglaublich inhaltsreichen Spielwelt aus altertümlichen Gebäuden und futuristisch anmutender Technologie verschmelzen. Der Cast spielt im selben Takt und nutzt den behäbigen Fortschritt, um sich nachvollziehbar zu entwickeln, persönliche Beziehungen untereinander aufzubauen und eigene Schicksalsschläge oder Motivationen zu teilen.

Trails from Zero 7 The Legend of Heroes: Trails from Zero bei uns im Test

Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr wenn…

Auf den ersten Blick hinterlassen die Kämpfe in The Legend of Heroes: Trails from Zero einen gewohnt klassischen Eindruck. Begegnungen mit Monstern jeglicher Couleur laufen rundenbasiert ab und alle vier Partymitglieder dürfen abwechselnd draufkloppen, zaubern oder besondere Fähigkeiten einsetzen. Sind alle Viecher vom Bildschirm gefegt, heißt es erstmal Feierabend und der belohnende Abschlussbildschirm lockt mit wertvollen Erfahrungspunkten und spielinterner Währung. Doch bereits das Spielfeld verrät uns einen spannenden Twist, der das bekannte Geschehen gekonnt auflockert. Ähnlich wie im jüngst veröffentlichten LIVE A LIVE-Remake von Square Enix, dürfen wir uns hier in einem abgesteckten Bereich frei bewegen. Neben der strategisch wertvollen Auswahl von Angriffen, bestimmt also auch unsere Position den Ausgang eines Gefechts. Die meisten Feinde sind von hinten oder der Seite deutlich verwundbarer, was allerdings genauso für Lloyd und seine Mannschaft gilt. Der herrlich erfrischende Taktik-Ansatz findet in den toll inszenierten Bosskämpfen seinen klaren Höhepunkt. Wenn wir mit rauchendem Kopf alle Truppenmitglieder über das Schlachtfeld taktieren, dabei versuchen keinen Freiraum zu bieten, angreifen und uns verteidigen, und zu allem Überfluss auch noch NPCs beschützen müssen, fühlen sich die RPG-Kämpfe oft wie raffinierte Rätsel an.

Auch die Auswahl der Manöver weiß zu überzeugen, denn während herkömmliche Angriffe mit Nah- oder Fernkampfwaffen locker von der Hand gehen, benötigen Zauber und spezielle Künste eine entsprechende Zeit zum Aufladen, die unsere Charaktere starr und schutzlos auf dem Schlachtfeld verbringen. Bedachtes Vorgehen und eine taktisch günstige Position sind stets wichtige Elemente der Kämpfe, daran lässt auch der relativ hohe Schwierigkeitsgrad keine Zweifel. In insgesamt drei, jederzeit frei wählbare Stufen unterteilt, bringt uns schon die empfohlene goldene Mitte regelmäßig ins Schwitzen. Wenig verwunderlich also, dass wir öfter mal ins Gras beißen. Für diesen Fall kommt uns The Legend of Heroes: Trails from Zero aber überraschend Nutzerfreundlich entgegen. Entweder wir laden einen automatisch/selbst erstellten Speicherstand oder starten den Kampf ganz simpel und ohne Umschweife von vorn. Übrigens sollten wir bereits im Vorfeld der Auseinandersetzungen Initiative zeigen. Gegner wuseln jederzeit sichtbar durch die vielseitig gestalteten Dungeons, was wir klar zu unserem Vorteil nutzen. Auf leisen Sohlen von hinten angeschlichen, hat eine Gruppe flatternder Fledermäuse schon nicht mehr ganz so viel zu sagen und wir starten die Begegnung mit einem kleinen Bonus. Richtig lohnenswert wird es allerdings erst dann, wenn wir den Feind zuvor mit einem beherzten Schlag betäuben. Auf diese Weise lassen sich zwar auch nervige Verfolger abschütteln, doch die direkte Konfrontation lockt mindestens genauso sehr mit Erfahrungspunkte-Multiplikator, verringertem MP- und SP-Verbrauch und der Chance auf eine von der Persona-Reihe inspirierte All-Out-Attacke, die alle gemeinsam angreifen lässt und die meisten Kämpfe sofort beendet. Umgekehrt wird selbstverständlich genauso ein Schuh draus und wir sollten stets darauf achten, dass uns die Monster nicht in den Rücken fallen.

Haben wir das alles gemeistert, uns ausreichend mit etlichen Statuseffekten auseinandergesetzt, gezielte Einzelschläge gegen flächendeckende Angriffe abgewogen und fleißig unser Level gesteigert, bleibt immer noch die Charakterentwicklung. Und die fällt Serientypisch recht komplex aus. Statt uns mit neuen Fähigkeiten nach einem Level-Up zu verwöhnen, erlernen wir Skills und Zauber ausschließlich über zuvor erlangtes Quarz. Einen wirkungsvollen Heiler können wir also nur dann richtig ausbilden, wenn wir ihn auch mit dem seltenen Edelstein ausrüsten. Das will erstmal gefunden und korrekt equipped werden, wobei auch Wechselwirkungen bestimmter Kombinationen eine tragende Rolle spielen, um besonders wertvolle Manöver freizuschalten. Zugegeben, in dieses System muss man sich zuerst reinfuchsen. Ist der Groschen dann aber mal gefallen, bietet diese Methode einen besonders kreativen und experimentellen Weg des Charakterausbaus.

Trails from Zero 3 The Legend of Heroes: Trails from Zero bei uns im Test

Traditionsbewusste Zukunft

Ab einem gewissen Zeitpunkt entlocken uns selbst die schönsten und effektstärksten Animationen nur mehr ein müdes Gähnen. Häufiges Backtracking entpuppt sich als wahre Belastungsprobe und das überholte Design belangloser Sidequests wiegt uns langsam ins Reich der Träume. Um da nicht den Faden der eigentlich so grandiosen Story zu verlieren, reicht Trails from Zero uns verwöhnten Spielern der Neuzeit das perfekte Tool: Den jederzeit per Schultertaste aktivierbaren Highspeed-Modus. Der beschleunigt das gesamte Spielgeschehen und wird schon bald zu einem unverzichtbaren Feature, das die letzten Anleihen altbackener Gameplay-Strukturen sinnvoll ausmerzt.

Auch optisch hat sich einiges getan, zumindest auf der Nintendo Switch und dem PC. Diese beiden Versionen entspringen nämlich einer komplett neuen Produktion des Spiels, während die Playstation 4 lediglich mit dem Port des bereits 2020 für den japanischen Markt veröffentlichten Remasters vorliebnehmen muss. Diese kleine Randnotiz einmal beiseitegeschoben, überzeugt The Legend of Heroes: Trails from Zero aber nach wie vor mit niedlichen 3D-Sprites und tollen Umgebungen in isometrischer Perspektive. Logisch, ein bisschen antiquiert mag das alles schon wirken – vor allem die modellierten Umgebungsobjekte der Architektur und Umwelt können manchmal etwas pixelig oder gar detailarm und kantig rüberkommen – doch irgendwie trägt dieser Look auch zu einem Großteil des Charmes bei, den der Titel mit seinem einzigartigen Worldbuilding an so ziemlich jeder Ecke versprüht. Außerdem reicht uns Trails from Zero auch so manche Grafik-Einstellung, die wir nach Belieben anpassen dürfen. So entscheiden wir frei über Anti-Aliasing, dynamische Schatten und weitere Werte.

Zusammen mit knackig scharfer Full HD-Auflösung und stabilen 60 Bildern pro Sekunde, passt die Präsentation ohnehin problemlos in die heutige Zeit. Dialoge erscheinen in gut lesbaren Textboxen mit gelungener, voll synchronisierter Sprachausgabe und hübsch gezeichneten, zweidimensionalen Charaktermodellen, während das Narrativ sogar klasse inszenierte Cutscenes im Anime-Look aus dem Hut zaubert. Fortgeschrittene Fremdsprachen-Kenntnisse sind allerdings mal wieder Pflicht. Den kompletten Spieltext bekommen wir lediglich in englischen Lettern präsentiert und unsere Ohren werden ausschließlich mit japanischen Sätzen verwöhnt. Macht aber nix, liest sich und klingt nämlich richtig gut. Genauso wie der ausgezeichnete Soundtrack, der mit seinen vielseitigen Klängen jede Stimmungslage perfekt einfängt und nur in seltenen Fällen etwas zu verspielt durch die Lautsprecher dudelt. Erwartungsgemäß geht die Steuerung des eher statischen Titels angenehm gut von der Hand, einzig und allein die kreisförmige Navigation unserer Kampfaktionen fällt unterm Strich etwas fummelig aus.

Trails from Zero 6 The Legend of Heroes: Trails from Zero bei uns im Test

The Legend of Heroes: Trails from Zero erscheint am 30. September 2022 für die Nintendo Switch, Playstation 4 und den PC via Steam endlich auch in Europa. Digital kostet die Vollversion 39,99€ auf allen Plattformen, während die Handelsversion der beiden Konsolen-Ableger mit jeweils 49,99€ zu Buche schlägt. Nordamerika ist übrigens schon seit dem 27. September 2022 an der Reihe.

Dieser Test basiert auf einem Review-Code von The Legend of Heroes: Trails from Zero für die Nintendo Switch, der uns freundlicherweise vom Publisher NIS America zur Verfügung gestellt wurde. Screenshots stammen aus dem offiziellen Presse-Kit.


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