Urban Myth Dissolution Center im Test – Who you gonna call?

von Dennis
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Urban Myth Dissolution Center verspricht Spannung der Extraklasse und entführt euch in die Welt urbaner Legenden, Verschwörungen und übernatürlicher Ereignisse. Ein Liebesbrief an Fans des guten Horrors oder doch bloß Schauer-Roman? Grusel-Wusel auf der Nintendo Switch: Unser Test zum Mystery-Detektiv-Abenteuer.

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Jungfrau in Nöten

Japan, irgendwo in Tokio. Eine junge Studentin bemerkt seltsame Visionen an sich und sucht dringend Hilfe. Doch an wen wendet man sich in diesen modernen Zeiten eigentlich, wenn in der Nachbarschaft seltsame Dinge geschehen? An die Ghostbusters? Wohl kaum, denn die haben längst ausgedient. Viel wahrscheinlicher ist es doch, dass ihr paranormale Phänomene direkt in den sozialen Netzwerken teilt, während Verschwörungstheoretiker und fanatische Anhänger urbaner Legenden munter mitdiskutieren.

Und genau hier setzt Urban Myth Dissolution Center an. Die geheimnisvolle Organisation hat es sich nämlich längst zur Aufgabe gemacht, übernatürlichen Ereignissen auf die Schliche zu kommen und die befallenen Opfer von ihrem Leid zu befreien. So auch Protagonistin Azami, die als vermeintliche Klientin, von merkwürdigen Visionen geplagt, verzweifelt die Anti-Spuk-Agentur aufsucht. Dabei stellt sich allerdings schnell heraus, dass die noch junge Studentin tatsächlich über eine wertvolle Gabe verfügt und plötzlich mitten im schaurig-schönen Sumpf aus Anomalien und andersweltlichen Kreaturen steckt. Eher unfreiwillig, dafür umso humoristisch-charmanter präsentiert, wird Azami schlagartig zum festen Bestandteil der noch kleinen Gruppe und muss ihren ersten, dazu äußerst persönlichen Fall lösen. Ausgerechnet Uni-Freundin Mio sieht sich von einer beunruhigend wirkenden Gestalt im Kapuzenpullover bedroht und buchstäblich heimgesucht. Sich im eigenen Apartment zu verriegeln hilft nur wenig, schließlich kriecht die menschliche Gestalt jede Nacht unter ihrem Bett hervor…Doch wer steckt dahinter und warum verteilt das Wesen plötzlich Blut in der Wohnung? Und weshalb wird in sämtlichen sozialen Medien über den Fall und seine Beteiligten negativ berichtet? Handelt es sich bei der Erscheinung um einen echten Geist oder steckt hier doch bloß ein arglistiger Mensch hinter all dem Terror? Jonathan Frakes wird euch bei der Beantwortung dieser Fragen jedenfalls nicht helfen…

…wo Grusel-Legende Junji Ito und bereits erfolgreich inspirierte Werke wie World of Horror und Paranormasight auf einen bittersüßen Blutmond aus menschlichen Abgründen und markerschütternden Bewegtbildern fantastischer Modern-Folklore zureiten.

Die geradlinig erzählte Story überzeugt dank spannender Wendungen und starkem Writing, während vor allem der sympathische und nachvollziehbar agierende Cast wie ein Stern am Himmel erstrahlt. Vom Klischee-befleckten Schulmädchen-Outfit mental befreit, tauscht Urban Myth Dissolution Center den sonst so üblichen Japan-Jank aus albernen Kichereien und toxischen Sticheleien gegen eine authentische Charakterentwicklung und die ernsthafte, spürbar reife Behandlung echter Thematiken aus, was dem Narrativ sowie der grundsätzlichen Substanz des Titels merklich zugute kommt. Anstatt in ihrer Opferrolle zu verharren, wächst Azami im Laufe der Handlung zu einem selbstbewussten und wertvollen Mitglied der Gruppe heran, wodurch sich ganz nebenbei ein wunderbar feministischer Ansatz ergibt. Der Horror bleibt sich treu und dem Ruhepuls der beste Feind, während viele Themen genauso nachdenklich stimmen und ein nicht zu verachtender Humor trotz allem zentraler Bestandteil einer dramaturgisch spannungsgeladenen Geschichte bleibt – toll!

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Entspanntes Gruseln

Für sein eher entspanntes Gameplay bedient sich Urban Myth Dissolution Center am klassischen Adventure-Modell – allerdings mit ein paar gelungenen Twists. Während das obligatorische Abklappern unterschiedlicher Tatorte nach Beweisstücken, neuen Informationen und zahlreichen Dialogen wohl zu den vertrauten Mechaniken im Genre gehört, wird es bei der Zusammenfassung erhaltener Hinweise schon deutlich aufregender. Hier zieht ihre eure Schlüsse nämlich aus einer vielfältigen Reihe vorgegebener Satzbausteine. Meist müsst ihr also ordentlich aufpassen und mitdenken, anstatt euch permanent auf ein herkömmliches Multiple-Choice-System zu verlassen. Das findet zwar ebenfalls Verwendung, kommt aber eher selten zum Einsatz. Panik braucht ihr, zumindest vorm spielerischen Aspekt des Titels, auch nicht zu haben, denn Fehler im Satzbau werden individuell hervorgehoben, weshalb sich eine Lösung auch Schritt für Schritt erarbeiten lässt. Trotzdem fühlt es sich ungemein befriedigend an, wenn ihr die korrekte Schlussfolgerung selbstständig und ohne weitere Hilfe erreicht.

…deren schaurig-schöne, fast schon psychedelisch anmutende Präsentation Fans des aktuellen japanischen Horror-Zeitgeists restlos begeistern dürfte.

Im Prinzip erlebt ihr das wie eine Mischung aus The Case/Rise of the Golden Idol und der traditionsreichen Anwaltssimulation Ace Attorney. Fans finden sich hier jedenfalls schnell zurecht. Apropos, denn solltet ihr am aktuellen Ort des Geschehens nicht weiter fündig werden, lohnt sich eventuell ein bewusstseinserweiternder Blick durch Azamis neu erworbene Brille. Die mit ein paar besonderen Extras ausgestattete Seehilfe erweitert das visuelle Talent der Hauptdarstellerin um hellseherische Fähigkeiten, die sie in die unbeobachteten Momente der Vergangenheit blicken lassen. Sogar soziale Medien spielen bei der Aufklärung der einzelnen Fälle und einem alles umspannenden Plot eine zentrale Rolle. Akribisch durchforstet ihr Posts mit Bezug zum aktuellen Mysterium und findet dabei wertvolle Hinweise, neue Stichwörter zum Weiterknobeln oder alternative Notfälle der besonderen Art in den realitätsgetreuen Kommentarspalten. Von Hass und Häme, über eingeschränkte Meinungsbilder und dem ausgeprägten Wunsch, selbst die meiste Beachtung finden zu wollen, ist auf diesen Seiten alles zu finden, was wir auch in der echten Welt und den sozialen Medien verorten würden.

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Junji Ito würde vor Freude weinen

Ist das jetzt noch Gameplay-Element oder schon Gesellschaftskritik? Naja, irgendwie beides, denn die Suche nach vereinzelt hilfreichen Aussagen, gestaltet sich schnell als Puzzle-artige Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Für Menschen mit regelrechter Phobie vor Social Media und Co. kann ich übrigens Entwarnung geben, schließlich biedert sich die multimediale Detektivarbeit nicht als postmodernes Stilmittel an, um ja alle Zielgruppen abzugreifen, sondern bringt dadurch einen völlig neuen Ansatz und zusätzlichen Spielspaß in den ohnehin vollgestopften Investigativ-Alltag. Vorausgesetzt jedoch, ihr steht der eher unaufgeregten Natur des Titels aufgeschlossen gegenüber. Jenseits seiner Atmosphäre und des unheilvollen Settings, bleibt Urban Myth Dissolution Center nämlich eine eher zwanglose, übrigens knapp 14-stündige Einzelspieler-Erfahrung, die sich Genre-mäßig irgendwo zwischen Adventure und Visual Novel ein wohlverdientes Zuhause sucht. Zugegeben, viel abwechslungsreicher wird es nicht, im Prinzip stellt euch der Titel vor die ewig gleichen Aufgaben und Bildschirm-Kommandos, was ich aber gerne unter dem Zusatzprädikat Geschmackssache verbuche und weder abstrafen noch besonders positiv hervorheben möchte.

So viel zumindest zu den Fakten, denn atmosphärisch kann Urban Myth Dissolution Center richtiges Horror-Feeling vermitteln. Die Art Direction trifft sich genau dort, wo Grusel-Legende Junji Ito und bereits erfolgreich inspirierte Werke wie World of Horror und Paranormasight auf einen bittersüßen Blutmond aus menschlichen Abgründen und markerschütternden Bewegtbildern fantastischer Modern-Folklore zureiten. Einmal mehr schafft es ein eher simpel gehaltener Pixel-Stil nebst verstörendem Ambient-Sound zum Gruseln, die Immersion hochwertiger Produktionen zu erreichen und seine eigenen Werte dabei auf ein völlig eigenständiges Niveau aus Qualität und der Wertschätzung meiner eigenen Zeit zu heben.

Zudem wurde der Titel in über 13 Sprachen übersetzt und bietet somit auch eine komplette deutsche Lokalisierung. Die hier getestete Version für die Nintendo Switch bietet sogar vollen Touchscreen-Support und keinerlei Leistungseinbußen gegenüber den großen Konsolen oder dem PC. Ganz im Gegenteil, mobil spielt sich solch ein Titel doch gleich viel besser, wobei Urban Myth Dissolution Center ebenfalls verifiziert für das Steam Deck erscheint. Nur, dass ich nicht selbstständig speichern darf und auch nicht einsehen kann, wann das Spiel zuletzt gespeichert hat, das schockt mich dann schon ein bisschen…

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Urban Myth Dissolution Center ist seit dem 12. Februar 2025 für die Nintendo Switch, den PC via Steam und die Playstation verfügbar und schlägt derzeit ausschließlich digital mit 17,49€ zu Buche.

Für diesen Test von Urban Myth Dissolution Center wurde uns freundlicherweise ein Testmuster für die Nintendo Switch-Version des Spiels vom Publisher Shueisha Games zur Verfügung gestellt. Screenshots stammen wie üblich aus dem offiziellen Presse-Kit.


Fazit – Score: 9/10

Licht aus, die Bettdecke bis ans Kinn gezogen – dann spielt Urban Myth Dissolution Center seine vollen Stärken aus und nimmt euch mit auf eine spannend, aber mindestens genauso humorvoll erzählte Geschichte aus modernen Mythen und der menschlichen Psyche, deren schaurig-schöne, fast schon psychedelisch anmutende Präsentation Fans des aktuellen japanischen Horror-Zeitgeists restlos begeistern dürfte. Auch spielerisch gibt es ausschließlich Lob, denn das gelungene Grundgerüst aus zahlreichen Adventure-Elementen sowie interessanten Ideen und eigener Identität, lockt SpielerInnen dank durchdachter Logikrätsel und einer Dialog-lastigen Struktur wie der Rattenfänger von Hameln. Horror-Großmeister Junji Ito würde applaudieren.

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