Ständig erscheinen neue Comics aus verschiedenen Universen, da ist es schwer, den Überblick zu behalten. Egal, ob DC, Marvel, Star Wars oder komplett andere Serien – immer stellt sich die Frage, was man sich als Nächstes holen soll. Um euch die Entscheidung etwas zu erleichtern und eine stärkere Übersicht zu gewährleisten, geben wir euch immer mal wieder Kritiken zu den neuesten deutschen Ausgaben verschiedener Comics. Viel Spaß mit unserer Kritik zu Wolverine – Narben.
Erscheinungsdatum | 11.02.2025 |
Zeichner | Edgar Salazar |
Autor | Chris Claremont |
Format | Softcover |
Seitenanzahl | 96 |
Stories | Wolverine: Deep Cut (2024) 1–4 |
Preis | 14,00€ |
Kaum ein anderer Marvel-Charakter ist so von Schmerz, Wut und Identitätsfragen geprägt wie Wolverine. Seit seinem ersten Auftritt in den 1970ern hat sich der kanadische Mutant mit den Adamantium-Krallen von einem wilden Einzelkämpfer zu einer der vielschichtigsten Figuren im Superhelden-Universum entwickelt. Seine Ursprungsgeschichte ist tief verwurzelt in Tragik und Verlust: Ein sensibler Junge namens James Howlett entdeckt seine Mutantenkräfte auf dramatische Weise, verliert seine Familie und schlägt sich fortan unter dem Namen Logan durch ein Leben voller Gewalt, Manipulation und bruchstückhafter Erinnerungen.
Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder die Suche nach dem eigenen Ich. Ist Logan das Tier, das andere in ihm sehen, oder ein Mensch, der trotz aller Traumata um seine Würde kämpft? Wolverine – Narben, erschienen im Jahr 2025, knüpft genau an diesen inneren Konflikt an. Der Comic will die Vergangenheit nicht neu schreiben, sondern ihr mit frischem Blick begegnen. Er gräbt dort, wo alte Wunden nie ganz verheilt sind, und fragt, was von einem Mann bleibt, dessen Körper zwar alles übersteht, dessen Geist aber tief gezeichnet ist.
Mit düsterer Atmosphäre, eindrucksvollen Bildern und einer Erzählweise, die nach Tiefe sucht, stellt sich dieser Band einer großen Aufgabe. Ob Narben dieser gerecht wird und tatsächlich neue Facetten des ikonischen Charakters offenlegt, erzähle ich euch in dieser Comic-Kritik!
Danke an Panini für das Bereitstellen des Rezensionsexemplars!
Inhalt:
Vor über drei Jahrzehnten verschwand Wolverine spurlos aus dem australischen Outback. Er ließ die angeschlagenen X-Men zurück und begab sich auf eine mysteriöse, private Mission. Niemand wusste, was ihn damals wirklich forttrieb – oder was geschah, bis er im erbitterten Duell auf die Reavers traf. Dieses dunkle Kapitel blieb lange ein gut gehütetes Geheimnis. Bis jetzt.
Comic-Ikone Chris Claremont lüftet endlich den Schleier über Logans persönlichsten und gefährlichsten Einsatz – eine Enthüllung, die alles verändern könnte.
Keine Sorge: Ich werde euch diese Wendung nicht vorwegnehmen. Was ich euch aber verraten kann, ist, dass Wolverine – Narben ein starker Comic ist – voller Verständnis für die Figur und mit jeder Menge erzählerischem Spaß. Klar, der Einzelband ist relativ kurz, und die Story an sich reißt keine Bäume aus. Doch was an Spannung fehlt, machen clevere Twists, kernige Action und die Anbindung an eine der größten X-Men-Storylines mehr als wett.
Wer wissen will, wo Wolverine steckte, bevor er ans Kreuz genagelt wurde, ist hier genau richtig. Für alle anderen könnte der Band allerdings wenig hergeben: Ohne ein gewisses Faible für die X-Men – oder zumindest für Logan selbst – wirkt die Geschichte stellenweise klischeehaft und die Figuren etwas schräg. Für Fans hingegen ist dieser Comic fast schon Pflichtprogramm.
Zeichnung:
Mit den Zeichnungen von Edgar Salazar verhält es sich ähnlich wie mit der Geschichte: Neue Leserinnen und Leser, die mit klassischen X-Men-Comics wenig anfangen können, werden den Stil womöglich als altbacken oder aus der Zeit gefallen empfinden.
Als Fan finde ich jedoch bemerkenswert, wie nah Salazar an den klassischen Stil herankommt – und ihn gleichzeitig moderner und dynamischer wirken lässt. Natürlich war früher vieles weniger temporeich inszeniert, aber genau das wurde hier klug aufgegriffen und neu interpretiert. Ich persönlich bin kein großer Anhänger des klassischen Looks – wenn er jedoch bewusst eingesetzt wird, um an bekannte Storylines anzuknüpfen und den damaligen Vibe wieder aufleben zu lassen, funktioniert das für mich erstaunlich gut.
Unterm Strich gilt also auch hier: Wer Wolverine und die alten X-Men liebt, sollte zugreifen. Für alle anderen ist der Band eher ein Blick in die Vergangenheit – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Fazit zu Wolverine – Narben:
Wolverine – Narben ist kein moderner Neustart, kein lauter Paukenschlag und auch kein emotionaler Overkill – und genau das macht ihn so reizvoll. Statt in übertriebener Action zu ertrinken oder sich in unnötigen Rückblenden zu verlieren, konzentriert sich der Comic auf das, was Wolverine wirklich ausmacht: die innere Zerrissenheit einer Figur, die zwar physisch unverwundbar ist, aber seelisch mehr Narben trägt als jeder andere Held im Marvel-Universum.
Chris Claremont kehrt mit spürbarer Vertrautheit zur Figur zurück und erzählt eine Geschichte, die tief in Wolverines Vergangenheit verwurzelt ist. Dabei setzt er nicht auf spektakuläre Offenbarungen, sondern auf geile Momente, auf Charakterarbeit, auf das Unausgesprochene zwischen den Zeilen. Gerade dadurch entfaltet der Band seine Wirkung, vorausgesetzt, man bringt eine gewisse Nähe zur Figur mit.
Für langjährige Fans ist Narben eine wertvolle Ergänzung zur Mythologie rund um Logan. Es ist eine Geschichte, die zwischen den großen Events spielt, aber keineswegs belanglos ist. Sie schließt eine Lücke, von der viele vielleicht gar nicht wussten, dass sie existiert – und tut dies mit einer erstaunlichen Ehrlichkeit und Tiefe.
Für Neueinsteiger hingegen dürfte der Zugang schwerer fallen. Ohne Vorwissen wirken die Figuren teils sperrig, die Handlung mitunter kryptisch. Wer also zum ersten Mal in Wolverines Welt eintauchen möchte, sollte vielleicht zu einem anderen Band greifen – Narben richtet sich ganz klar an jene, die den Charakter bereits ins Herz geschlossen haben.
Visuell überzeugt der Comic durch eine nostalgische Ästhetik, die zwar nicht jedem gefallen wird, aber hervorragend zur erzählten Zeit und Stimmung passt. Edgar Salazar schafft es, den klassischen Look neu zu interpretieren, ohne ihn zu verwässern, also ein Kunstgriff, der den Retro-Charme des Bandes unterstreicht.
Unterm Strich ist Wolverine – Narben ein leiser, aber eindrucksvoller Beitrag zum Kanon, damit kein Muss für alle, aber ein Geschenk für viele.