Ständig erscheinen neue Comics aus verschiedenen Universen, da ist es schwer, den Überblick zu behalten. Egal, ob DC, Marvel, Star Wars oder komplett andere Serien – immer stellt sich die Frage, was man sich als Nächstes holen soll. Um euch die Entscheidung etwas zu erleichtern und eine stärkere Übersicht zu gewährleisten, geben wir euch immer mal wieder Kritiken zu den neuesten deutschen Ausgaben verschiedener Comics. Viel Spaß mit unserer Kritik zu Spider-Boy 2.
Erscheinungsdatum | 18.02.2025 |
Zeichner | Julian Shaw, Jason Loo, Paco Medina |
Autor | Dan Slott |
Format | Softcover |
Seitenanzahl | 136 |
Stories | Spider-Boy 5–10 |
Preis | 18,00 € |
Es gibt Helden, die wachsen einem sofort ans Herz und es gibt solche, die einen Umweg gehen müssen, um gesehen zu werden. Spider-Boy, alias Bailey Briggs, gehört eindeutig zur zweiten Sorte. Seine Entstehungsgeschichte ist keine bloße Variation des altbekannten Spinnenbisses oder ein weiteres Kapitel im Schatten von Peter Parker. Vielmehr ist Bailey ein Produkt aus Lücke, Bruch und Erinnerungslücke – ein Held, der nie existiert haben dürfte, und doch plötzlich da ist.
Seine Origin Story ist so ungewöhnlich wie tragisch: Einst der treue Sidekick von Spider-Man, wurde Bailey durch eine kosmische Verschiebung aus der Realität gelöscht, nicht nur aus der Welt, sondern auch aus den Erinnerungen aller, die ihn kannten. Als wäre sein ganzes Leben ein gelöschter Absatz in der Geschichte der Superhelden. Nur durch eine Reihe von dimensionalen Störungen ist er wieder „sichtbar“ geworden – allerdings ohne den Rückhalt eines Umfelds, das sich an ihn erinnert. Für Bailey bedeutet das: Er ist ein Fremder in seiner eigenen Geschichte, ein Teenager mit Superkräften, der um Zugehörigkeit kämpft – nicht nur in der Welt, sondern im kollektiven Gedächtnis des Marvel-Kosmos.
Anders als Peter Parker, der durch einen Unfall Verantwortung übernehmen musste, ist Bailey ein Held, der um seine Existenz kämpft, um Beweise seiner Vergangenheit, um die Frage: „Wenn sich niemand an mich erinnert, bin ich dann überhaupt echt?“ Seine Kräfte sind ebenso ungewöhnlich wie sein Ursprung: genetisch manipulierte Spinnen-DNA, Reflexe jenseits des Messbaren, aber auch biologische Eigenarten, die ihn deutlich von Spider-Man unterscheiden. Kein bloßes Abziehbild, sondern eine neue Figur mit einem völlig eigenen Profil.
Diese außergewöhnliche Herkunft, irgendwo zwischen Reboot, Retcon und emotionaler Selbstfindung, verleiht Spider-Boy eine bemerkenswerte Tiefe. Denn seine Geschichte ist nicht nur die eines Superhelden, sie ist auch die Geschichte von Identität, Isolation und dem Wunsch, nicht nur stark, sondern auch erinnert zu werden.
Spider-Boy 2 knüpft genau hier an und stellt die Frage: Wie geht man weiter, wenn man gerade erst angefangen hat, zu existieren? Ob das aber in diesem Band aufgeht erfahrt ihr in dieser Comic-Kritik!
Danke an Panini für das Bereitstellen des Rezensionsexemplars!
Inhalt:
Bailey Briggs war einst der treue Sidekick von Spider-Man. Doch als Spider-Boy steht er nun im Schatten eines schrecklichen Irrtums. Seine früheren Freunde glauben, dass er hinter der monströsen Gestalt des Boy-Spider steckt, und wenden sich von ihm ab. Enttäuscht und verletzt kehrt Bailey ihnen den Rücken. Doch das Heldendasein lässt ihn nicht los.
Die gefährliche Schöpferin von Boy-Spider hat Zugriff auf Baileys Erinnerungen – und genau das bringt seine Freundin Christina in große Gefahr. Um sie zu schützen, muss Bailey weiterkämpfen, auch wenn er niemandem mehr trauen kann. Und dann ist da auch noch das Spider-Verse…
Der erste Band von Spider-Boy konnte mich nicht vollständig überzeugen. Ich mochte das Potenzial und die Richtung, aber es fehlte an einer klaren Linie. Auch das Thema Isolation kam mir damals zu kurz. In Band 2 ist das anders. Diesmal hatte ich deutlich mehr Freude beim Lesen und konnte Baileys Gedanken und Gefühle viel besser nachvollziehen.
Der Twist mit den Humanimals und dem High Evolutionary ist gut gelungen. Typisch Marvel, mit einigen schönen Fanmomenten. Besonders gefallen hat mir der zweite Teil der Geschichte. Bailey passt überraschend gut ins Spider-Verse, und es entstehen starke Charaktermomente – teils berührend, teils herrlich witzig.
Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass man noch nicht das volle Potenzial dieser Figur ausschöpft. Aber die Richtung stimmt jetzt, und der Comic verfolgt endlich ein klares Ziel. Ich freue mich sehr auf das, was kommt. Hoffentlich bleibt Bailey weiterhin im Fokus, denn wenn man seine Figur richtig anpackt, bringt er frischen Wind ins Spider-Verse.
Los, Spider-Boy!
Zeichnung:
Auch im zweiten Band bleibt der Zeichenstil angenehm verspielt. Die kindlichere, zugängliche Bildsprache des ersten Teils wird konsequent fortgeführt. Die Künstler Julian Shaw, Jason Loo und Paco Medina – letzterer war bereits am ersten Band beteiligt – orientieren sich deutlich an einem jüngeren Publikum, ohne in Albernheiten abzurutschen.
Die Farbgebung und Linienführung erinnern stellenweise an ein hochwertiges Kinderbuch. Das verleiht dem Comic eine charmante Leichtigkeit. Nach all den düsteren und ernsten Storylines, die das Superhelden-Genre prägen, ist das eine willkommene Abwechslung.
Besonders gelungen ist, wie viel Ausdruck in den Gesichtern und Bewegungen der Figuren steckt. Die Panels wirken lebendig, emotional und dynamisch. So wird Spider-Boy als Hauptfigur noch nahbarer. Insgesamt bietet der Stil eine liebevoll gestaltete, visuell starke Bühne für die Geschichte – und macht einfach Spaß beim Lesen.
Fazit zu Spider-Boy 2:
Spider-Boy 2 ist eine gelungene Fortsetzung, die viele der Schwächen des ersten Bandes hinter sich lässt. Wo der Auftakt noch nach Orientierung suchte, wirkt dieser Band deutlich fokussierter, emotionaler und erzählerisch geschlossener. Bailey Briggs wird als Figur ernst genommen – seine Unsicherheit, sein Wunsch nach Zugehörigkeit und seine besondere Art des Heldentums bekommen endlich den Raum, den sie verdienen. Besonders stark ist, wie sehr sich der Comic auf die innere Welt des Helden konzentriert, ohne dabei die Action oder das Marvel-typische Spektakel zu vernachlässigen.
Die Geschichte schafft es, zwischen tragischer Identitätssuche und unterhaltsamem Superheldenabenteuer eine gute Balance zu halten. Die Humanimals, der Umgang mit dem Boy-Spider-Missverständnis und die Verbindung zum Spider-Verse wirken nicht wie lose Ideen, sondern fügen sich glaubwürdig in Baileys Erzählung ein. Der emotionale Kern bleibt dabei stets spürbar: Es geht nicht nur um das Retten anderer, sondern auch um die Rettung des eigenen Ichs.
Auch visuell überzeugt der Comic. Der kindlich-verspielte Stil mag nicht jedermanns Sache sein, passt aber hervorragend zur Figur und Zielgruppe. Gerade weil Spider-Boy sich thematisch mit dem Gefühl des Nicht-Dazugehörens auseinandersetzt, wirkt der Stil wie ein Gegenpol zur inhaltlichen Schwere – leicht, bunt und offenherzig. Das macht das Leseerlebnis nicht nur zugänglich, sondern auch sympathisch und einprägsam.
Insgesamt ist Spider-Boy 2 ein starkes Zeichen dafür, dass Bailey Briggs mehr ist als ein Nebenprodukt eines Multiversums oder eine Randnotiz im Schatten von Peter Parker. Er hat das Potenzial, sich zu einer festen Größe im Spider-Man-Kosmos zu entwickeln – vorausgesetzt, man schenkt ihm auch weiterhin die erzählerische Aufmerksamkeit, die er in diesem Band endlich verdient. Wer sich für originelle Figuren und emotionale Geschichten interessiert, bekommt hier ein modernes Superheldenabenteuer mit Herz und Verstand.