Aaero 2 im Test – Es ist kompliziert…zu kompliziert!

von Dennis
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Aaero 2 bei uns im Test – Weihnachten 2018. Ruhe, Besinnlichkeit und ein hübsch geschmückter Tannenbaum machen sich im Wohnzimmer breit. Während der Holzofen erwartungsvoll knistert, stoßen meine ausgeruhten Augen unter einem Dunst aus Brennholz und Lebkuchen auf einen Online-Artikel über Aaero. Vom besten Rhythmus-Spiel aller Zeiten, einer unvergleichbar immersiven Erfahrung im Genre ist dort die Rede. Vor allem aber, dass es ab sofort verfügbar ist. Vorbei die Ruhe, shut up and hold my Mistelzweig! Sechs Jahre ist das nun her. Eine Zeit, in der ich Aaero immer wieder gerne gestartet habe, um mich zusammen mit meinem Kopfhörer in eine traumhafte Trance versetzen zu lassen. Von der unglaublich guten Musik und dem dynamischen Gameplay, die beide irgendwo dort verschmelzen, wo sich meine Synapsen längst verabschiedet haben und einfach nur noch diesem futuristisch anmutenden Setting aus Techno-Tunneln und schroffer Dystopie folgen. Genügend Gründe also, sich auf Aaero 2 zu freuen…oder?!

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Wie schon sein Vorgänger, zählt sich auch Aaero 2 zu den Rhythmus-Spielen im vorwiegend elektronischen Sound-Segment. Jedem Musikstück ist ein optisch ebenso einzigartiges Level gewidmet, das sich zudem an die jeweiligen Klänge des aktuellen Songs anpasst. Allerdings bietet Aaero auch im zweiten Anlauf einen unverwechselbaren Twist im Genre, denn anstelle von Noten, erwarten euch hier sogenannte Magnetbänder, die ihr via Raumschiff möglichst präzise anfliegt. Die neonfarbenen Striche erscheinen passend zum aktuellen Song und simulieren auf diese Weise den Beat, die Tonhöhe oder andere Soundeffekte. Gesteuert wird mit dem linken Analogstick, wobei die angeforderten Manöver auf dem Bildschirm dem Bewegungsmuster der 360 Grad-fähigen Eingabemethode genau nachempfunden sind. Regelmäßig fliegen wir also anspruchsvolle Zickzack-Muster oder legen auch schon mal eine Schraube aufs futuristisch anmutende Parkett der musikalischen Weltraumodyssee. SpielerInnen, die sich bereits mit der skate.-Serie von Electronic Arts auseinandergesetzt haben, dürften sich also auch in Aaero 2 sofort zurechtfinden. Ein blitzschnelles Reaktionsvermögen, sowie die Hand-Augen-Koordination eines ergrauten Guitar Hero-Veteranen, sind zum Einstieg ebenfalls erwünscht. Relativ leicht zu erlernen, aber nur schwer zu meistern – ihr kennt den Deal.

Als hätte Omi ihre gute, alte Future Trance-CD-Sammlung geschreddert (…)

Auf halbwegs gemütlichen Einhandbetrieb solltet ihr euch dennoch nicht einstellen, schließlich schmeißt euch der Titel in regelmäßigen Abständen auch eine Vielzahl an skurrilen Gegnern um die windigen Ohren und präsentiert euch ein waschechtes Kampfsystem. Um Roboter-Hornissen, riesige Sandwürmer oder anderen Schrott aus dem All, kümmert ihr euch mit einem feurigen Arsenal aus Raketen und einer neu hinzugefügten Minigun. Stumpfes ballern ist allerdings wenig empfehlenswert, denn erst, wenn die Viecher zum Takt zerbersten, hagelt es diverse Bonuspunkte auf euren Highscore. Gemessen wird sich einmal mehr per Online-Leaderboard. Wem die verbissene Punktejagd dagegen egal scheint, der freut sich über mehrere Versuche pro Lauf, eine Lebensanzeige und die Möglichkeit, zwischen vier verschiedenen Schwierigkeitsgraden zu wählen. Ein Bildschirmtod senkt zwar den Multiplikator, weshalb ihr kompetitiv dann einfach nicht mehr ernstzunehmende Punktzahlen erreicht, im Gegensatz werdet ihr aber auch nicht direkt vom eigentlichen Spielgeschehen ausgeschlossen und dürft praktisch immer weiter üben.

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Alles anders in Aaero 2?

Doch was macht Aaero 2 jetzt eigentlich anders, also zu einem richtigen Nachfolger? Die schnelle Antwort lautet: Viel. Viel zu viel. Versteht mich nicht falsch. Das grundsätzliche Spielprinzip aus extrem dynamischer, fast schon fluchtartiger Rhythmus-Sause vor dem Hintergrund einer sich lediglich nur kryptisch entfaltenden, bizarr-isolierten Techno-Spielwelt und seinem hohen Maß an Präzision und Taktgefühl, weiß nach wie vor zu begeistern und birgt quasi unendlichen Spielspaß, bzw. die Motivation, die eigenen Fähigkeiten immer weiter auszubauen. Dennoch scheint sich Entwickler Mad Fellows hier leicht übernommen zu haben.

Fangen wir beim Gameplay an. Im Vorgänger reichte es zum Beispiel aus, Gegner mit dem vom rechten Analogstick gesteuerten Cursor anzuvisieren und den Stick danach wieder in die neutrale Mittelposition schnalzen zu lassen, damit ich der feindlichen Riege einen Satz Raketen ins Getriebe jagen konnte. In Aaero 2 muss ich aktiv den rechten Trigger gedrückt halten, jedes Ziel einzeln anvisieren und bekomme dann noch einen Balken, ähnlich der Animation zum perfekten Nachladen aus Gears (of War), serviert, für den ich den richtigen Moment optisch und eben nicht mehr akustisch abpasse. Im wahrlich pulsierenden Eifer des Gefechts überfordert mich das von der ersten Sekunde an, zumal sich das Trefferfeedback in Aaero 2 zu keiner Zeit als besonders responsiv beschreiben lässt. Außerdem überrascht der Nachfolger mit einer deutlich höheren Grundschwierigkeit. Im Erstling galt der normale Modus noch als perfekter Einstieg, schließlich boten die ikonischen Magnetbänder bis zur Hälfte der Tracklist noch meist simple, nachvollziehbare Formen. Außerdem waren diese Sektionen klar von den Momenten abgegrenzt, in denen ich mich um einen Haufen Feinde kümmern musste. Ein logischer Schwierigkeitsgrad für den Einstieg eben, um irgendwann bequem auf Fortschrittlich oder Meister zu wechseln. Jetzt gerate ich bereits früh ins Stottern, schließlich werden diese beiden Sequenzen nun gnadenlos miteinander vermischt und ich werde jedes mal dazu gezwungen, zeitgleich einen nach links und rechts ausschwenkenden Balken im Auge zu behalten, damit meine Feuerkraft oder der Highscore keine Einbußen erleiden. In der Zwischenzeit muss ich aber genauso feindlichen Projektilen ausweichen und darf das sich erneut rasant nähernde Magnetband nicht verpassen. Als einzige Alternative dazu, bietet mir Aaero 2 einen Chillout-Modus an. In dem bleibt mir jeglicher Fortschritt allerdings verwehrt, es gibt keine Sterne zu holen und auch die Rangliste fehlt.

Selbstverständlich sind die ikonischen Bosskämpfe ebenfalls wieder mit von der Partie und es entsteht ein grundsätzlich abwechslungsreicher Strudel aus dynamischer Flughatz und eben diesen taktisch herausfordernden Begegnungen. Als Zuckerschlecken galten die bereits im Vorgänger nicht, doch Aaero 2 schwört sich beim Thema unfaire Anforderung einmal mehr die Treue. Eine geschlagene Stunde hat es mich gekostet, den ersten Boss zu legen. Und das nur, weil mich das neue Kampfsystem zur absoluten Weißglut treibt. Was ich wann anvisiere und dann im richtigen Moment meiner Feuerkraft aussetze, gestaltet sich unglaublich schwierig und nur selten nachvollziehbar, weil ich jetzt eben den rechten Trigger halten und auch wieder loslassen und nebenbei noch diese unnötige Anzeige im Auge behalten muss. Währenddessen schlängeln sich vier Sandwürmer mit mehreren Trefferzonen von der Decke und der eigentliche Gegner, eine meterhohe Spinne, blickt mich mit ihren acht Augen an, auf die ich selbstverständlich genauso zielen muss. Allerdings nur für einen kurzen Augenblick, schließlich bewegt sich der Raumgleiter automatisch und verweilt an dieser Stelle nur kurz…und ich spiele auf NORMAL…AAAARRGH!

(…) es braucht nun auch keine Wetten, dass…-Challenge, um den durchaus markanten Sound des Labels über sämtliche KünstlerInnen hinweg, zu erkennen.

Vielleicht mag das alles persönlichen Umständen geschuldet sein, aber wenn ich ganze sechs Jahre immer wieder mit einem Titel verbringe, dort stetig besser werde, aber am direkten Nachfolger überraschend früh scheitere, läuft doch zumindest etwas schief. Dass ich mich mit dieser eher traurigen Leistung im guten Mittelfeld aus aktuell knapp 50 testenden Personen positioniere, untermauert diese Theorie nur. Ich liebe Rhythmus-Spiele, sie sind mein guilty pleasure seit fast zwei Jahrzehnten, und ich gehe gerne einige Umwege, um mich auf jedes von ihnen einzustellen. Doch um ehrlich zu sein, bin ich nicht einmal sonderlich motiviert, weitere Zeit mit Aaero 2 zu verbringen. Während die Playlist des Vorgängers es, dank teils zeitloser Künstler/Songs und reichlich akustischer Abwechslung, noch schaffte, mich in seinen traumhaft trance-artigen Bann und dabei in ein unvergleichbares Stimmungshoch zu ziehen, langfristig zu motivieren und mich dabei wertgeschätzt in meiner eigenen Zeit zu fühlen, kaue ich jetzt auf einer vom Musiklabel Monstercat stark dominierten Liste herum, bis meine Backenzähne jene Geräusche wiedergeben, die so übertönend schrill und monoton aus den Lautsprechern drängen.

Für die jüngere Generation funktioniert das vielleicht, denn dort, wo sich Künstler wie Bossfight und MUZZ gute Nacht sagen, trifft sich auch ein unverkennbar modern-kommerzieller Sound aus bunt gemischten Elektronik-Genres, der subjektiv gefallen kann, aber audiovisuell eben längst nicht mehr die angestrebt mystische Atmosphäre des Vorgängers vermittelt und die Qualität von Schaffenden wie Noisia massiv unterbuttert. Es mag löblich sein, wie offengeistig Monstercat mit ihren Künstlern und Lizenzen umgeht und damit für angenehmere Prozesse in der Entwicklung solcher Titel sorgt. Selbst Mad Fellows-Gründer und Guitar Hero-Vater Paul Norris erklärt das in diesem Reddit-Artikel ziemlich nachvollziehbar, was ja aber nichts am finalen Ergebnis ändert. Mir fehlt der Hinweis, dass es sich hier quasi um ein reines Feature mit dem Label Monstercat handelt, vor allem aber der intrinsische Antrieb, mit meinem Raumgleiter auf ein Finale zuzusteuern, dessen Songs mir bereits in Rocket League unaufhörlich in den Gehörgang geprügelt wurden. Dabei ist es ja genau diese vereinfachte Kooperation zwischen musikalischen Künstlern und der Videospielbranche, die sich hier selbst ein Bein stellt. Denn seien wir doch mal ehrlich, egal wie divers sich Monstercat in ihrem Audiokatalog gibt, es braucht nun auch keine Wetten, dass…-Challenge, um den durchaus markanten Sound des Labels über sämtliche KünstlerInnen hinweg, zu erkennen.

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Im Weltall hört euch niemand schreien

Immerhin hat es diesmal ein Mehrspielermodus in den Titel geschafft. Mit einer weiteren Person schlagt ihr euch nun entweder gemeinschaftlich oder gegeneinander im PVP-Modus durch die bizarren Landschaften und Bauten der futuristisch-dystopischen Spielwelt. Besonders cool: Während des Spielgeschehens wird euer Magnetband optisch zwar deutlich von dem eures Mitspielers getrennt und erscheint zumeist auch auf eurer Seite des Bildschirms, trotzdem stehen häufige und vor allem rasante Seitenwechsel an, dich noch einmal mehr eure Reflexe auf die Probe stellen. Zusätzlich habt ihr sogar die seltene Wahl, ob ihr euch per Matchmaking einen beliebigen Kollegen, bzw. Kontrahenten schnappt oder mit einem Kumpel eine entspannte Runde auf dem eigenen Sofa im Zwei-Spieler-Koop verbringt. Die Online-Suche versteht sich zwar Plattformübergreifend, doch zum jetzigen Zeitpunkt ist mit insgesamt knapp 50 Spielenden kaum ein Match möglich, weshalb dieser Modus lediglich eine kurze Anspielsession erfuhr.

Für die Langzeitmotivation sorgt in Aaero 2 nicht bloß die Möglichkeit, jeden der insgesamt 18 Songs jederzeit erneut spielen zu dürfen, sondern auch ein Levelsystem, inklusive täglicher und wöchentlicher Herausforderungen. Mehr als Prestige bietet diese Funktion allerdings nicht. Leaderboards funktionieren immer noch pro Song und erreichter Leistung, beziehungsweise dem jeweiligen Schwierigkeitsgrad. Wer die Tracks der Playlist oder neue Schwierigkeitsmodi freispielen will, sammelt wie gewohnt Sterne, deren Anzahl sich an eurem geleisteten Niveau orientiert.

Technisch gibt es übrigens nichts zu beanstanden. Aaero 2 profitiert, wie so viele andere Titel, von der Power der aktuellen Konsolengeneration und läuft mit 60 stabilen Bildern pro Sekunde jederzeit flüssig, während die Auflösung ein knackig scharfes 4K-Bild erzeugt. Ok, ein Meisterwerk ist das angesichts der stilistisch eher detailarm belassenen Umgebungen nicht unbedingt, dennoch setzt der Titel gegenüber seinem Vorgänger eine ordentliche Schippe drauf. Als hätte Omi ihre gute, alte Future Trance-CD-Sammlung geschreddert und sie den aromatisch in der Pfanne brutzelnden Pilzen hinzugefügt, erwartet euch in Aaero 2 ein noch größeres Effektgewitter vor dem optischen Hintergrund verstörender Techno-Tunnel, hypnotisierenden Raumstationen sowie von der Realität völlig losgelösten Unterwasserwelten.


Aaero 2 erscheint am 15. Oktober 2024 vorerst exklusiv für die Xbox Series X. PC-SpielerInnen via Steam dürfen erst zu einem noch nicht genannten, späteren Zeitpunkt ran, während über die Veröffentlichung auf weiteren Konsolen bislang überhaupt nicht gesprochen wird. Ausschließlich digital erhältlich, schlägt der Titel mit 14,99 zu Buche. Der Reviewcode für Aaero 2 auf der Xbox Series X, wurde uns freundlicherweise vom Publisher und Entwickler Mad Fellows zur Verfügung gestellt. Screenshots stammen aus dem offiziellen Pressekit.


Fazit

Tja, während das dynamische Spielgefühl immer noch passt, geht Aaero 2 im Vergleich zum Vorgänger ein wenig die Puste aus. Ein spaßiger Besuch im Club ist das immer noch, aber eben nicht mehr energisch um Mitternacht, sondern kurz vorm Morgengrauen, wenn die Energie bereits verdampft ist und sich die eigenen Bewegungen auf der Tanzfläche kaum noch richtig anfühlen. Das Kampfsystem wurde konsequent verschlimmbessert, während der allgemeine Schwierigkeitsgrad viel zu anspruchsvoll ausfällt und mir komfortable Einstiegs-Mechaniken des Erstlings verwehrt. Die Playlist ist diesmal wirklich nur für absolute Monstercat-Fans geeignet, denn wer sich für den neumodernen, kommerziellen und hörbar monoton-schrillen Klang aktueller Veröffentlichungen nicht begeistern lässt, hat aufgrund mangelnder Diversität im Soundtrack kaum eine Chance, mit Aaero 2 überhaupt warmzuwerden. Neuerungen wie der Multiplayermodus entpuppen sich als nette Dreingabe, die dem Nischen-Kult des Titels allerdings auch nicht entkommen und in wenigen Wochen mit gähnend leeren Lobbys aufwarten werden. Es macht mich unfassbar traurig, aber Aaero 2 ist tatsächlich nicht das, was gestandene Fans des Erstlings erwartet oder gar verdient hätten. Wer dagegen vom jünger klingenden Sound nicht genug bekommt und sich auf die gesteigerte Herausforderung einlassen möchte, findet in diesem Nachfolger schon so etwas, wie seinen potentiell nächsten Favoriten im Rhythmusspiel-Genre.

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