Death Come True bei uns im Test

Der Abspann von Death Come True flimmert über den Bildschirm meiner Nintendo Switch. Die Füße zum Beat wippend, geht im catchy Titeltrack das leise Seufzen fast unter. Nahezu ertappt fasse ich mir an die eigene Nase und versinke in tiefen Gedanken. Ist das Enttäuschung? Nein…eigentlich nicht. Aber Begeisterung? Auf keinen Fall!

Zwei Jahre ist es nun schon her, da probierte ich zum ersten mal ein FMV-Abenteuer aus. Zusammen mit Wales Interactive entstanden so die Tests zu The Infectious Madness of Doctor Dekker und The Shapeshifting Detective und übrigens auch meine neue Leidenschaft für Titel dieser Art. Den Thron konnte jedoch kein anderes Genre für sich beanspruchen, denn den besetzten wohl schon immer meine heißgeliebten Visual Novels. Dass sich mit Death Come True nun ein Titel anbahnte, der FMV-Adventure sein, aber gleichzeitig auch aus der Feder des Danganronpa-Schöpfers stammen sollte und so quasi beides vereinte, ließ mein Herz unendlich hoch schlagen. Klar, den fiesen Monokuma und seine treuen Begleiter würde ich schon ein wenig vermissen, aber hey, eine Geschichte mit echten Darstellern von Too Kyo Games, was soll da schon schief gehen?

Nun, jede Menge, denn überraschenderweise ist das größte Manko von Death Come True tatsächlich die eigene Story.

Den Beginn hat der Titel noch gut im Griff. Rasant und mitreißend entwickelt sich eine Reihe an mysteriösen Ereignissen im schaurig-schönen Hotel-Ambiente. Der darin wie in einer Zeitschleife verzweifelt festsitzende Protagonist Makoto Karaki: Auf Anhieb sympathisch und in seiner Rolle glaubwürdig transportiert. Ihren Spaß an der Arbeit merkt man den Schauspielern ohnehin an. Gestik und Mimik wirken jederzeit überzeugend, Dialoge durchdacht geschrieben, auch wenn sich die Dramaturgie ihres gewissen Amateur-Charmes nie ganz entziehen kann. Aber das ist durchaus positiv gemeint.

Doch es fehlt schlicht an Ruhepausen. Ruhigen Momenten, in denen Charakterentwicklung stattfinden und Immersion entstehen kann. Orientierungslos irrt Death Come True im Genre-Dschungel, vermischt Krimi mit Romanze und etlichen anderen, bedeutungsschweren Themen, die hier aus Spoilergründen keine Erwähnung finden sollen. Wenig spricht allgemein gegen einen vielseitigen Mix aus verschiedenen Einflüssen, doch fehlt es hier jeder Zugabe an Substanz. Einer reifen, verantwortungsvollen Ausarbeitung der einzelnen Einflüsse. Stattdessen wird abrupt an- und abgeschnitten – ein Kuss, ein Schuss, dann ist Schluss.

Empathie verkommt zum Kraftakt, als müsste man sich aus diesem gemütlichen Sessel des passiven Beobachtens immer wieder herauspressen und dabei die Arme gegen die Lehnen der Bedeutungslosigkeit stemmen. Wenn nicht täglich das Murmeltier, sondern fast im Minutentakt der Tod grüßt, bleibt im eng geschnürten Korsett aus gerade einmal zwei Stunden Spielzeit nur wenig Raum zur angemessenen Entfaltung.

Es ist diese wilde, nie zur Ruhe kommende Hast von Death Come True, die wie ein Tornado durch die Ereignistafel zieht, eigentlich spannende Twists in sich aufsaugt, wie zerreißende Papierschnipsel vervielfacht und inflationär wieder ausspuckt. Selbst im Auge des Sturms, dem Zentrum, einer erzählerisch so wichtigen Ebene, geht Death Come True die Puste nicht aus und sprintet stattdessen unbesonnen auf das Finale zu. Doch das ist nicht Lola Rennt und so bleibt es wohl auch jenem deutschen Kultfilm vorbehalten, die Grundpfeiler funktionierender Erzählstrukturen ignorant auszuhebeln. Ganz besonders dann, wenn man sich dem Thriller verschrieben hat und Fragen aufwirft, deren Klärung wohl zur Hauptintention jedweder Herangehensweise gehören sollte.

Anstatt sich also dem skurrilen Charme seines Hitchcock-Hotels hinzugeben, ein cleveres Kammerspiel aufzubauen, seinen Charakteren, die in ihrer herrlich dargestellten David Lynch-Exzentrik hätten wunderbar aufgehen können, Raum und vor allem diese so wichtige Zeit für Entwicklung zu schenken, wirft Death Come True seine ursprüngliche Prämisse ungelenk und schmerzend schnell über Bord. Schiffbrüchig treiben die Gedanken im Meer aus schimmernden Trailern, die nun mehr die Zunge mit Salz belegen und sich falsch anfühlen. Am Horizont der Lichtblick, das Ende, doch mehr Flüchtlingshafen, als weißer Sandstrand, winkt von dort in hämischer Pose der Plot, der nach dieser wilden Odyssee nur eine weitere Blockade darstellt – nicht als befriedigende Erklärung, sondern lahme Entschuldigung.

Viel hat dieses Schiff überhaupt erst zum Sinken gebracht, doch gewiss auch die vielen Löcher, die sich mit Logik nicht mehr stopfen ließen. Wenig nachvollziehbar ergeben sich die Darsteller ihrem Schicksal, bauen Vertrauen auf, das sonst vielleicht ganze Jahre gebraucht hätte. Sicher, eine gute Story darf sich jeder noch so abstrusen Thematik bedienen, doch sollte die dann auch absolut wasserdicht sein. Populäres Gegenbeispiel: Steins; Gate. Nüchtern betrachtet, ist Rintaros Reise durch die Zeit einfach nur komplett überzogener Sci-Fi-Klamauk, der in seiner Narration aber sämtlichen Logiklöchern trotzt und jeder noch so detaillierten Nachfrage gekonnt eine Antwort bietet.

Enttäuschung schreibt hier offensichtlich mit, denn gerade die Art Direction zeigt, wie viele Ambitionen dem FMV-Thriller beigepflichtet wurden. Allein das Color Cropping erzeugt eine unverwechselbare Farb- und Licht-Atmosphäre, die zusammen mit den großartig gesetzten Schnitten eine cineastische Qualität erreicht, die das Genre nur selten zu Gesicht bekommt. Die Kameraführung ist on top und weiß sowohl emotionale Momente, als auch die ganze Action perfekt einzufangen. Soundtrack, Score und Voice Acting tun ihr Übriges, um das technische Grundgerüst stabil und vor allem ganz weit oben zu halten. Denn zumindest als rein passiver Zuschauer, ist Death Come True durchaus einen gespannten Blick wert.

Den spielerischen Schnickschnack hätte es auch gar nicht gebraucht. Zwar gilt es zwei unterschiedliche Enden zu entdecken, ein ausgefeiltes Branching-System, wie etwa in Raging Loop, bleibt dem Titel jedoch fern. Eine getroffene Entscheidung endet nicht zwangsläufig in einer Sackgasse oder führt gar auf den richtigen Pfad, vielmehr erkennt der Titel eine grobe Richtung und führt auf diesem Pfad automatisch fort. Das ist fast schon entspannend, weil es eben nie in so eine völlig verstrickte Storyline ausartet und den Spieler zwingt, sich gewisse Handlungsstränge zu merken, macht die Gameplay-Elemente von Death Come True aber genauso obsolet. Was bleibt, sind die Death Marks, also Münzen, die bei jedem digitalen Ableben als Belohnung winken und nach Erhalt diverse Clips mit Hintergrundinfos freischalten. Hier muss wohl jeder selbst entscheiden, ob ihm oder ihr zusätzliche Durchläufe wert sind, um auch ja das letzte Making-of zu Gesicht zu bekommen. Einen Mehrwert für die Handlung bieten die Marken jedenfalls nicht.

Und so schleicht sich der Gedanke in meinen Kopf, dass Death Come True vielleicht lieber als experimentell-ambitionierter Beitrag für irgendein Filmfestival hätte erscheinen sollen. Ein kleines Schauspiel auf der großen Bühne, was das Werk inszenatorisch durchaus verdient hätte, aber eben ohne die Entscheidungen im Sekundentakt und das aufgesetzte Gameplay.

Übrigens wurde Death Come True hervorragend für die Nintendo Switch umgesetzt. Im Handheld-Modus schaut man dem Treiben in knackigen 720p zu, während der Touchscreen-Support für eine angenehme Bedienung sorgt. Den Sprechern lauscht ihr im japanischen O-Ton, Untertitel lassen sich in allen erdenklichen Sprachen zuschalten – sogar auf deutsch.


Death Come True ist seit dem 25. Juni 2020 für Nintendo Switch, Android und iOS erhältlich. Eine Veröffentlichung für Playstation 4 und Windows PC soll noch in diesem Jahr erfolgen. Für 17,99 € erhaltet ihr den Titel im digitalen Store der jeweiligen Plattform. 

Für diesen Test wurde uns ein Reviewcode für Death Come True auf der Nintendo Switch vom Publisher Izanagi Games zur Verfügung gestellt. Screenshots entstammen dem offiziellen Presse-Kit. 

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