Danganronpa Decadence bei uns im Test

Wer über Visual Novels spricht, darf Danganronpa nicht vergessen. Warum der erzählerische Meilenstein von 2010 auch heute noch begeistert und sich mobil einfach am besten erlebt, lest ihr in unserem Test zu Danganronpa Decadence für die Nintendo Switch.

Liebe Freunde der guten Unterhaltung, in diesem Artikel sprechen wir zugunsten der Übersicht über unsere aktuellen Erlebnisse mit Danganronpa: Trigger Happy Havoc, dem ersten Teil der ikonischen Murder Mystery-Reihe des japanischen Entwicklerstudios Spike Chunsoft, nehmen damit aber gleichzeitig auch Bezug zu den beiden anderen Hauptablegern Danganronpa 2: Goodbye Despair und Danganronpa V3Killing Harmony. Schauplatz und Cast unterscheiden sich innerhalb der Trilogie eher im Detail, grundlegendes Spielprinzip und Prämisse bleiben identisch. Diverse Mysterien umspannen dabei den gesamten Dreiteiler, bekannte Charaktere bleiben teilweise sogar erhalten. Ihre Fortschritte macht die Serie weitestgehend in optischer und technischer Hinsicht, sowie im Abwechslungsreichtum. Sollte euch also bereits der Erstling so richtig gut gefallen, kommt ihr um die beiden Nachfolger ohnehin nicht herum.

Im Rahmen des 10-jährigen Jubiläums veröffentlicht Spike Chunsoft nun die erste allumfassende Collection der Kultreihe Danganronpa, inklusive des frischen Spin-Offs Danganronpa S: Ultimate Summer Camp. Allerdings exklusiv als physische Version für die Nintendo Switch, im e-Shop werden die Titel einzeln angeboten. So entsteht leider eine etwas merkwürdige Preispolitik, denn nach dem digitalen Kauf aller Titel der Decadence-Sammlung, habt ihr rund 80€ auf den Tisch gelegt, als Cartridge kostet der Spaß aktuell nur knapp 60€. Das bereits 2014 für PS4, Vita und PC veröffentlichte Danganronpa: Another Episode: Ultra Despair Girls, bleibt der Zusammenstellung übrigens gänzlich fern. Falls ihr euch dennoch dafür interessiert, hier haben wir das abgefahrene Spin-Off bereits getestet.

Der ultimative Wahnsinn

Vielleicht ging es euch ja schon einmal ähnlich und ihr wolltet unbedingt eine ganz besondere Person sein. Bester in einer bestimmten Sportart, das ultimative Popsternchen oder ein unübertreffliches Genie im Finanzwesen. Und als ein solch junges Ausnahmetalent erkannt und auf einer Elite-Schule entsprechend gefördert zu werden, das erhoffen sich wohl etliche. Für die 15 Neuankömmlinge der Hope’s Peak Academy scheint dieser Traum in Erfüllung zu gehen. Jeder mit einem ganz besonderen Talent im Gepäck und damit bereits weltweit überaus erfolgreich, steht nun der passende Schulabschluss einer renommierten Fakultät auf dem Programm. Absolventen verspricht die Lehranstalt ein von finanziellem und beruflichem Erfolg geprägtes Leben ohne Sorgen und Nöte. Doch statt rosiger Zukunft, erwartet die Schülerinnen und Schüler der ultimative Albtraum. Nach ihrer Ankunft unsanft betäubt, erwachen die Pennäler in einem perfiden Experiment aus Misstrauen und Verzweiflung, in dem nur der Tod Erlösung verspricht. Das Schulgebäude, nun verriegelt und komplett von der Außenwelt isoliert, mutiert zum ewigen Gefängnis. Vermeintlicher Strippenzieher hinter diesem grausamen Plan: Ein…nunja, Teddybär! Wer jetzt irritiert schmunzelt, hat anscheinend noch nie von Monokuma oder Danganronpa gehört und darf sich wohl auch ein bisschen glücklich schätzen, Stoffbären weiterhin als gemütliche Wegbegleiter zu betrachten.

Der sadistische Roboter-Bär stellt es den Gefangenen jedenfalls frei, ob sie ewig in diesen Hallen des Wissens verharren oder sich durch eine kleine Schandtat zurück in die Freiheit befördern wollen. Was das Spiel zynisch als „den Abschluss erlangen“ tituliert, ist schlicht und ergreifend Mord. Tötet ein Schüler einen anderen, darf dieser dem Gefängnis entkommen. Vorausgesetzt, er oder sie kommt mit dieser Straftat unentdeckt davon. Neben etlichen anderen Regeln, wie etwa festgelegten Schlafenszeiten, die erzählerische Logiklücken gekonnt schließen und für zusätzliche Spannung in der Story sorgen, hat Monokuma selbstverständlich auch für diesen Fall vorgesorgt. Das gesamte Gelände mit Überwachungskameras ausgestattet, weiß der mysteriöse Meister Petz natürlich ganz genau, wer der Täter ist, der sich da so unrühmlich die einstige Unbefangenheit zurückholen wollte und lädt kurzerhand zur Gerichtsverhandlung. Stimmen wir dort für den wahren Täter, erhält dieser seine – optisch ziemlich cool inszenierte und auf das jeweilige ultimative Talent zugeschnittene – Bestrafung. Gelingt uns das hingegen nicht, gewinnt der Schuft und alle anderen müssen sterben…

EINSPRUCH! 

Neben Einflüssen aus dem Slice of Life- und Dating-Genre, als auch gewissen Adventure-Elementen, besticht das Gameplay von Danganronpa Decadence vor allem durch seine Gerichtsverhandlungen, die sogenannten Class Trials. Fans der Ace Attorney-Reihe erwartet damit zwar keine allzu große Überraschung, dafür aber gewohnt gute Detektivarbeit mit nervenaufreibendem Zeitlimit und frischen Ideen. Wird ein Mord bekannt, ermitteln wir in alter Point and Click-Manier, finden Beweisstücke an Tatorten und sammeln wichtige Aussagen unserer vermeintlichen Mitstreiter. Diese benötigen wir dann in den Class Trials, um Falschaussagen mit Beweismitteln zu widerlegen. Im Gegensatz zu Capcom’s Spitzenanwalt, laufen diese Wortgefechte in Danganronpa deutlich dynamischer ab. Statt gemütlichem Abwägen und Überlegen, versetzt uns hier ein striktes Zeitlimit in permanente Panik. Zudem werden falsche Rückschlüsse sofort bestraft, indem die Glaubwürdigkeit, ähnlich einem Lebensbalken, dramatisch abnimmt. Die können wir durch korrekte Aussagen zwar wieder ein wenig auffüllen, die Mischung aus dauerhaftem Leistungsdruck und tickender Uhr versteht es aber in jedem Fall, uns Schweißperlen auf die Stirn zu treiben.

Auch stilistisch wissen diese Momente ganz besonders zu überzeugen. Wir fallen der illustren Truppe aus ultimativen Talenten nicht bloß ins Wort, wir zerschmettern ihre Lügen und falschen Beobachtungen effektvoll mit dem Schuss aus einer Pistole. Die mag zwar nur metaphorisch existieren, eine coole Idee sind die sogenannten Truth Bullets, die hier quasi das obligatorische Objection! eines gewissen Herren im blauen Anzug ersetzen, aber allemal. Doch damit längst nicht genug, für die juristische Rekonstruktion der Tat ordnen wir Comic-Panel in der richtigen Reihenfolge an und hämmern bei einem Rhythmusspiel auf die Tasten. Darüber hinaus verbringen wir unseren Schulalltag in Danganronpa mit klassischen Slice of Life- und Dating-Elementen, die uns Mitschüler und Hintergrundgeschichten näher bringen, aber auch mit dem Erhalt wertvoller Fähigkeiten locken. Skills fallen sehr vielseitig aus und gewähren uns z.B. während der Gerichtsverhandlungen einen nützlichen Bonus auf den Fokus und sorgen so für mehr Zeit zum Grübeln. Soziale Verbindungen vertiefen wir übrigens durch Geschenke, die sich wiederum mit überall in der Spielwelt versteckten Münzen an Automaten käuflich erwerben lassen. Fleißige Spürnasen werden beim Erkunden auf jeden Fall belohnt, auch wenn sich die Routine eines herkömmlichen Tagesablaufs abseits spannender Handlungspunkte schnell abnutzen kann. Das sich stets erweiternde Schulgelände erkunden wir dabei übrigens aus der Ego-Perspektive. Mag die Orientierung zu Beginn noch etwas schwerfallen, kennen wir die Örtlichkeiten schon bald wie unsere Westentasche und machen von einer komfortablen Schnellreise-Funktion Gebrauch, deren übersichtliche Karte mit sämtlichen Infos über Hauptziele und aktuellem Aufenthaltsort der Charaktere lockt.

Von Problembären und Urlaubsplänen

Ja, schon klar, das klingt alles wahnsinnig abgedreht. Ein völlig durchgeknallter Problembär namens Monokuma, der 15 prominente Schüler einsperrt, sie zum Morden anstiftet und selbst nicht davor zurückschreckt, ihnen mit einem breiten Grinsen eine Kugel durch den Kopf zu jagen, sollte eine der etlichen Regeln einmal missachtet werden. Gerichtsverhandlungen, die ebenfalls, wenn auch eher symbolisch, mit Waffengewalt ausgetragen werden und dann auch noch unser Rhythmusgefühl verlangen. Ok…

Aber genau davon lebt Danganronpa – seit über einem Jahrzehnt, um genau zu sein. Die unfreiwillige Zusammenkunft der ultimativen Studenten ist ein herrlicher Seitenhieb auf die Leistungsgesellschaft, narrativ oft maßlos überzogen und doch irgendwie realistisch. Fernab krampfiger Klischees über wehende Miniröcke oder wippende Oberweiten, nur mal kurz aufgelockert durch leicht verträglichen Japano-Klamauk, gelingt Danganronpa nach wie vor ein erzählerisches Meisterwerk. Interessante, vor allem auch nachvollziehbare Dialoge, geführt von einem charismatischen Cast aus bunt zusammengewürfelten Charakteren, lassen uns die Protagonisten sofort ins Herz schließen und, ja, sogar aufrichtige Empathie für sie empfinden. Schnell entsteht im mitreißenden Strudel aus groteskem Highschool-Kammerspiel und einem schonungslos brutalen Widersacher eine beklemmend düstere Atmosphäre mit expliziter Gewaltdarstellung. Hinter der Fassade niedlich anmutender 2D-Sprite-Charaktere und knuffigem Comic-Look, verbirgt sich eine ernstzunehmende Handlung voll spannender Wendungen und anspruchsvolles Gameplay in drei Schwierigkeitsgraden. Eine Art Battle-Royale nach Skript, das gemeinsames Kooperieren ausschließt und eigentlich nur den einsamen, beißwütigen Wolf belohnt. Wer bleibt am Ende übrig? Warum passiert das überhaupt alles? Weshalb verfrachtet Monokuma im Nachfolger hoffnungsvolle Elite-Studenten auf eine einsame Insel? Und wieso zum Teufel hat dieses sadistische Biest in Danganronpa V3 auch noch Nachwuchs? Fans von Adventure Spielen, Murder Mystery und richtig guten, morbiden Visual Novels, sollten sich schleunigst auf den Weg nach Antworten begeben.

Während die Hauptreihe von Danganronpa bereits etliche Auftritte auf anderen Plattformen erleben durfte, hat sich Entwickler Spike Chunsoft zum zehnjährigen Jubiläum aber noch ein kleines Extra aus dem Ärmel schütteln lassen. In Danganronpa S: Ultimate Summer Camp, einem digitalen Brettspiel-Spin-Off, geht es deutlich entspannter zu. Hier bewegen wir uns gemächlich über ein Spielfeld, lauschen nie zuvor gesehenen Konversationen zwischen altbekannten Charakteren und bestaunen neue Szenen und Artworks. Eine nette, kurzweilig unterhaltende Dreingabe mit klassischen J-RPG-Elementen, viel mehr passiert da nicht. So sollten vor allem wiederkehrende Fans einen Standalone-Download vorher gut abwägen, denn eine wirkliche Bereicherung für das Universum stellt Ultimate Summer Camp leider nicht dar. Käufer der Collection nehmen diesen Bonus einfach mit, denn im Gesamtpaket ist es genau das: Ein niedlich-friedliches i-Tüpfelchen auf 60+ Stunden Spielzeit.

Seine Portierung auf die Nintendo Switch hat Danganronpa Decadence übrigens mit Bravour bestanden. Vor allem im Handheldmodus des neuen OLED-Modells erstrahlen alle vier Titel im farbenfrohen Detailreichtum. Animationen wirken stets flüssig, Bugs oder andere Fehler sind uns nicht bekannt, zur Veröffentlichung wurden allerdings schon kleinere Day One-Patches nachgereicht. Texte erscheinen jederzeit gut lesbar in angemessener Größe auf dem Bildschirm. Nur schade, dass wir für die Steuerung auf den Touchscreen verzichten müssen. Das mag besonders merkwürdig erscheinen, da zumindest die drei Hauptableger erst kürzlich für aktuelle Smartphones veröffentlicht wurden. Dafür geht die Knopfbelegung gut von der Hand, was bei einem solch statischen Titel aber auch kein Kunstwerk sein sollte. Auf die Ohren gibt es mal beruhigend jazzige Klänge, in bedrohlichen Momenten lockt der Score aber genauso gerne mit aggressiv-düsterer BGM und passt sich der jeweiligen Situation damit perfekt an. Wie im Genre oft üblich, müsst ihr auch für Danganronpa auf der Switch zumindest solide Englischkenntnisse mitbringen, um die zahlreichen Texte überhaupt entziffern zu können. Eine deutsche Lokalisierung fehlt, was heutzutage aber keine allzu große Hürde mehr darstellen sollte. Dialoge sind lediglich teilweise vertont, hier habt ihr die Wahl zwischen einer englischen und japanischen Sprachausgabe.


Danganronpa Decadence ist seit dem 3. Dezember 2021 für die Nintendo Switch erhältlich. Die Sammlung enthält alle drei Ableger der Hauptreihe und den Jubiläums-Bonus Ultimate Summer Camp und ist ausschließlich in einer physischen Version für den Vollpreis von 60€ erhältlich. Im e-Shop der Nintendo Switch erwarten euch alle vier Spiele selbstverständlich auch digital, hier allerdings nur einzeln und im Gesamtpreis deutlich teurer. 

Der Test basiert auf einem Reviewcode, der uns freundlicherweise von Entwickler und Publisher Spike Chunsoft zur Verfügung gestellt wurde. Screenshots und weitere Assets stammen aus dem offiziellen Pressekit. 

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