A Space for the Unbound (Xbox Series X) bei uns im Test

A Space for the Unbound – Ein indonesisches Coming of Age-Märchen mit Ghibli-Charme. 


Und, was möchtest du nach der Schule mal machen? Diese Frage aus Jugendtagen hallt uns heute noch in den Ohren. Eine verbindliche Antwort konnten wir darauf nie so wirklich geben. Auch Atma und Raya sollen sich zwangsläufig mit ihrer Zukunft nach der High School auseinandersetzen, denn der Abschluss rückt immer näher und die beiden Teenager im Indonesien der 90er Jahre wissen immer noch nicht, ob sie nun lieber studieren oder einer Arbeit nachgehen wollen. Ehrlichen Enthusiasmus verspüren sie bei der eigentlich so wichtigen Planung ohnehin nicht, schließlich ist das Leben auch viel zu kurz und viel zu bunt für graue Bürokratie. Stattdessen erstellt das Duo eine Bucket List, also eine Liste mit Dingen, die sie unbedingt einmal erleben möchten. Den Startschuss macht ein simpler Kinobesuch, der gleich offenbart, dass es bei diesem Vorhaben eben nicht um besonders spektakuläre Aktionen, sondern viel mehr um die kleinen Freuden des Alltags geht, den A Space for the Unbound mit seinem lockeren Slice-of-Life-Ansatz auch im Missionsdesign wunderbar entspannt, fast schon austauschbar, aber im überraschend starken Gegensatz dann doch sehr magisch in Szene zu setzen weiß.

Also stiefeln wir in der Haut unseres Protagonisten Atma sofort los und schlagen der letzten Schulstunde ein Schnippchen. Blöd nur, dass der verheißungsvolle Ausgang vom böse dreinblickenden Direktor bewacht wird und wir uns eine bessere Alternative suchen müssen. Die finden wir nach kleiner Erkundungstour im hiesigen Wanderklub, der uns ja nur zu gerne ein Kletterseil borgen würde, wäre da nicht das verschollen geglaubte Mitglied mit all ihrem Equipment. Den Abkömmling finden wir, wieder schleichend am wachsamen Lehrpersonal vorbei, nur wenige Augenblicke später schlummernd in der Bibliothek, wo wir uns das hilfreiche Werkzeug gleich unter den Nagel reißen. Doch die Schulmauern tollkühn überwunden, wartet bereits die nächste Aufgabe auf uns und wir basteln einer zunächst noch belanglos wirkenden, streunenden Katze ein improvisiertes Heim. Auch dieses Unterfangen artet ein kleines bisschen aus und treibt uns durch die halbe Stadt, in der wir auf pöbelnde Motorradgangs treffen, einer Bettlerin die Spendenschale abkaufen, ein Quiz absolvieren, entlaufene Hunde bändigen und letztlich dafür sorgen, dass unsere Mieze endlich ein Dach über dem Kopf bekommt.

A Space for the Unbound versteht es wirklich hervorragend, uns auf eine unterhaltsame Reise aus vielen kleinen Geschichten zu entführen, denn selbst das Missionsdesign besteht meist aus Belanglosigkeiten, die sich stumpf abgelesen vielleicht nach magerem Inhalt anhören, zusammengesetzt aber ein unerklärlich zauberhaftes Alltags-Erlebnis bieten.

Die flapsige Schwerelosigkeit, mit der vor allem Atma durch seinen Alltag zu schweben scheint, ist nicht bloß Schein, aber gleichzeitig auch Teil dieser fragilen, Ghibli-esquen Fantasiewelt aus sprechenden Katzen und wundersamen Abenteuern…

Für sein Gameplay bedient sich der Titel passenderweise am Adventure-Genre mit modernen Aspekten. Einen klassischen Cursor gibt es nicht, dafür steuern wir Atma direkt durch die seitlich scrollende 2D-Landschaft einer indonesischen Kleinstadt. Möglichkeiten zur Interaktion gibt es immer dann, wenn wir in unmittelbarer Nähe einer Person oder eines Gegenstands stehen. Selbst nerviges Inventar-Management entfällt, denn bestimmte Items werden in Form einer Sprechblase komfortabel über dem Kopf unseres Hauptdarstellers dargestellt, sobald wir mit bestimmten Objekten interagieren dürfen. Spielerische Abwechslung bieten vor allem clever umgesetzte Schleichpassagen, spontane Abwandlungen des Videospielklassikers Breakout und eine unverhofft knifflige Brawler-Iteration, die uns in die örtliche Arcade Halle, allerdings auch gegen aufmüpfige Moped-Jünger in den Faustkampf schickt.

Dass es im Leben des heiteren Duos jedoch nicht immer nur um die schönen Momente, niedliche Katzen und Schwarzwälder Kirschtorte in Rekordgröße geht und A Space for the Unbound uns eigentlich auch eine ganz ernsthafte Botschaft mit auf den Weg geben will, lässt bereits der mysteriöse Prolog vermuten, findet im anstehenden Kinobesuch am Ende des ersten Kapitels jedoch seinen narrativen (Zwischen-)Höhepunkt. Mehr oder weniger vom Schicksal gesegnet, offenbart Raya ihre mysteriöse Fähigkeit, Gedanken und Wünsche Realität werden zu lassen. Dem furchtbar langweiligen Film und einem herzerwärmenden Minispiel, bei dem wir garantiert nur aus Versehen Raya’s Hand beim Griff in die Popcorn-Tüte berührt haben, entflohen, finden wir uns in einer bizarren Gedankenwelt wieder. Von zufrieden schnurrenden Vierbeinern umgeben, währt der vermeintliche Frieden allerdings nur kurz und ein furchteinflößendes Katzenwesen jagt uns zurück in die Realität. Mit einer deutlich angeschlagen Raya im Arm, stolpern wir in die Eingangshalle des Kinos, das ebenfalls vom Chaos befallen scheint. Mitarbeiter gehen nicht länger ihrer Arbeit nach, lachen lieber hysterisch vor sich her oder liegen gekrümmt auf dem Boden. Was hier passiert ist, finden wir mithilfe unserer übernatürlichen Kräfte, dem sogenannten Space Dive, heraus.

Mithilfe dieser Fähigkeit tauchen wir buchstäblich in die Gedanken unseres Gegenübers ein und helfen, die psychische Blockade zu lösen. Da wäre zum Beispiel die Ticketverkäuferin, die sich unter einem Berg von Eintrittskarten vergraben sieht. Geschickt miteinander verbunden, besuchen wir die düsteren Gefühlswelten sämtlicher Mitarbeiter und tauchen zwischendurch immer wieder auf, um erhaltene Items, Passwörter oder ähnliches der richtigen Person und ihrem Verwendungszweck zuzuordnen. Das Space Dive-Feature kommt allerdings auch in weniger dramatischen Situationen zum Einsatz. Etwa dann, wenn wir einem der Zuckerindustrie verfallenen Kind gesunde Ernährung einbläuen. Selbstverständlich nicht ohne Grund, denn die Schokolade brauchen wir für eine leckere Torte, ein weiteres Ziel auf der Bucket List, und genauso selbstverständlich nicht ohne Tiefgang, denn der adipöse Fratz liebt den Süßkram nur so sehr, weil er ihn an seine Mutter erinnert. Lobenswert, wie Entwickler Mojiken Studio es die gesamte Spieldauer von ungefähr zehn Stunden über schafft, sämtliche Spielmechaniken derart logisch und motivierend miteinander zu verzahnen.

Klar, das Narrativ von A Space for the Unbound versteht sich als äußerst metaphorische Erfahrung, das schwere Themen wie Ängste und psychische Erkrankungen sensibel aufgreift, bildgewaltig aus Kindesaugen in Szene setzt und mit der Frage jongliert, wie wir letztlich mit ihnen umgehen wollen. Eine selbst erschaffene Gedankenwelt mag zur kurzzeitigen Rettung in besonders schweren Momenten beitragen, birgt aber genauso die Gefahr, sich vollständig darin zu verlieren. Die flapsige Schwerelosigkeit, mit der vor allem Atma durch seinen Alltag zu schweben scheint, ist nicht bloß Schein, aber gleichzeitig auch Teil dieser fragilen, Ghibli-esquen Fantasiewelt aus sprechenden Katzen und wundersamen Abenteuern, an deren Coming of Age-Fundament längst die Bauarbeiten des Erwachsenwerdens begonnen haben und auch ein faules Übel nagt, dem selbst grenzenlos-kindliche Fantasie nicht gewachsen scheint.

Seine indonesische DNA lässt uns A Space for The Unbound übrigens an jeder Ecke spüren. Ob im detailverliebten Leveldesign aus belebten Straßenzügen und verwilderten Seitengassen, den zahlreichen Dialogen mit allerlei skurrilen Bewohnern des kleinen Örtchens, ja, selbst in den optionalen Sammelgegenständen steckt das absolute Maximum an lokalem Charme. Zwar lässt sich der nur selten richtig greifen, da wir schlicht noch nie in Indonesien waren, doch auf magische Weise schafft der Titel es trotzdem, eine angenehme Balance zu bilden und sanft unser Interesse durch die fast schon satirisch überzeichnete Darstellung von sinnvoll integrierten Themen wie Folklore oder Popkultur, zu wecken. Dank des lockeren Ansatzes, schlendern wir aufgeschlossen durch die Umgebung, bemerken eine äußerst lebendige Gamingkultur, faszinierende Religionsstätten und streicheln selbstredend jede (!) herrenlose Katze und vergeben sogar Namen.

Technisch tadellos in Szene gesetzt, hat die von uns getestete Version für die Xbox Series X atmosphärisch nichts zu befürchten. Satte Farben und eine knackig scharfe Auflösung verpassen der meist unaufgeregten, in seltenen Zwischensequenzen allerdings auch schon mal extrem beeindruckenden Pixelkunst den richtigen Anstrich, während uns der eigens für A Space for the Unbound komponierte Soundtrack aus mal heiteren, mal eher traurigen, LoFi-artigen Pianostücken und emotionalen Gesangseinlagen stimmungsvoll begleitet. Fehlt nur noch eine Optimierung für die aktuelle Konsolengeneration, denn mit 60 Bildern pro Sekunde würde das spannende Abenteuer noch geschmeidiger über den Bildschirm laufen, was wir dem kleinen Entwicklerstudio allerdings genauso gerne verzeihen, wie die fehlende Lokalisierung.


A Space for the Unbound ist seit dem 19. Januar 2023 für PC via Steam, Xbox, Playstation und die Nintendo Switch erhältlich. Als aktuell rein digitale Veröffentlichung, schlägt der Titel zum Budget-Preis von 19,99€ zu Buche.

Für diesen Test zu A Space for the Unbound auf der Xbox Series X wurde uns freundlicherweise ein Reviewcode von unseren Medienpartnern der Stride PR zur Verfügung gestellt. Screenshots stammen aus dem offiziellen Pressekit.

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