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Was bei Verschwörungstheoretikern längst zum guten Ton gehört, scheint sich allmählich auch beim Auffrischen angestaubter Videospielszenarien zu etablieren. Denn wie ja bereits allgemein bekannt, hatte der 2. Weltkrieg weitaus mehr Mysterien zu bieten, als Schloss Hogwarts und das Auenland zusammen. Statt dem üblichen Geleier aus Flugscheiben und Schutzbunkern auf dem Mond, erzählt Achtung! Cthulhu Tactics vom Bund der Nachtwölfe. Einer geheimen Nazi-Organisation, die mit ihren Ritualen fremdartige Wesen heraufbeschwört, um sie für militärische Zwecke zu missbrauchen. Gänzlich unbekannt sind diese Kreaturen jedoch nicht, sie entspringen direkt der Feder des Kultautoren H.P. Lovecraft.

Für Fans des gleichnamigen Tabletop-Rollenspiels ein durchaus geläufiger Mix, aber auch für Neulinge klingt das erstmal interessant genug. Zumindest auf dem Papier, denn als rundenbasierte Strategie-Versoftung taugt der Titel leider nur bedingt. Sein Potential, mit dem alternativen Weltkriegssetting und zahlreichen Lovecraft-Elementen eine spannende, mitreißend präsentierte Geschichte zu erzählen, verschenkt Achtung! Cthulhu Tactics an jeder Ecke. Das dabei angedachte Zusammenspiel aus trashiger Science-Fiction und comichaft überzogenem Helden-Cast, im Stil eines Strange Brigade, geht nie wirklich auf. Wie auch, denn statt durch würdige Zwischensequenzen oder vertonte Dialoge, transportiert das Werk seine quasi nicht-existente Narrative über kleine Textzeilen in Ladepausen. Und die vermitteln ungefähr dieselbe Qualität, wie Lesezirkel-Zeitschriften im Wartezimmer jeder beliebigen Arztpraxis.

Letztendlich bleibt die bloße Idee, eine facettenreiche Lizenz voller Möglichkeiten sinnvoll in ein Videospiel zu integrieren. Es fehlt an Herzblut, an einer Charakter-Kombo, die regelmäßig zu Wort kommt und Persönlichkeit ausstrahlt. Dazu braucht es nicht viel, was der Zombie-Modus von COD: Black Ops und eben auch Strange Brigade eindrucksvoll unter Beweis stellen. Ein paar Sprüche hier, ein paar Kommentare dort und schon existiert da so etwas wie Sympathie für nicht näher vorgestellte Polygon-Modelle. Achtung! Cthulhu Tactics versagt bereits hier auf ganzer Ebene, es hätten auch ruhig vier zufällige Zootiere in der Besetzung Platz nehmen dürfen, so blass und austauschbar bleibt sie die gesamte Spielzeit über.

Aber das ist ja nicht das einzige Problem, das den Titel in dieser Hinsicht plagt. Auch das pacing, also quasi wie man den Spieler bei Laune hält und verschiedene Mechaniken miteinander abwechselt, scheint nicht durchdacht. Bis sich die ersten Kreaturen aus dem Lovecraft-Universum zeigen, vergeht schlicht zu viel Zeit. Zeit, die anscheinend lieber dafür verschwendet wird, die Assets der ersten Karte immer und immer wieder zu recyclen – was mit den anderen Umgebungen später übrigens auch passiert. Zusammen mit einem monotonen Missionsdesign und dem eingeschränkten Trupp aus lediglich vier Charakteren, kommt schnell Langeweile auf.

Dabei hat Achtung! Cthulhu Tactics eigentlich ein stabiles Grundgerüst und präsentiert sich in Sachen Gameplay als Mischung aus XCOM und netten, eigenständigen Ideen. Auf einer isometrisch dargestellten Karte, navigiert man den Einsatztrupp über quadratische Felder und ist zunächst einmal mit der Erkundung beschäftigt. Denn was genau sich in unmittelbarer Entfernung befindet, liegt buchstäblich im Verborgenen. Ein dicker Kriegsschleier umhüllt ausnahmslos jede Karte und kann nur von der vorgegebenen, aber immerhin erweiterbaren Sichtweite der Protagonisten durchbrochen werden. Natürlich dient dieser Nebel hauptsächlich dazu, die zahlreich im Gebiet aufgestellten Feinde zu verstecken, in die man dann völlig überrascht hineinstolpert. Doch auch im laufenden Gefecht bleibt dieses Element bestehen. Zuvor identifizierte Feinde können darin erneut Schutz suchen und der Gruppe sogar unbemerkt in den Rücken fallen. Ein tolles Feature, mit dem Achtung! Cthulhu Tactics auch einigermaßen gut umgeht. Denn während es sicher eine kluge Idee ist, mindestens zwei Späher vorzuschicken, sollte der Rest des Trupps auch unbedingt mal einen Blick nach hinten werfen, um der ein oder anderen Überraschung vorzubeugen. Die Ungewissheit über Gruppengröße oder Art der Gegner, stellt das eigene taktische Geschick immer wieder auf die Probe.

Ein wenig unheimlich ist das schon, wenn man die Position des Feindes nur erahnen kann, ihn aber schemenhaft durch das Unterholz huschen sieht. Tatsächlich ist diese Furcht ein fester Bestandteil von Achtung! Cthulhu Tactics. Bevor es den Lebenspunkten an den Kragen geht, sinkt bei Beschuss zuerst der Mut-Balken eines Protagonisten, während gleichzeitig der Angst-Wert steigt. Ist dieser komplett gefüllt, verliert der jeweilige Kämpfer die Nerven und greift nun sogar Verbündete an.

Ansonsten bleibt es relativ übersichtlich. Gefechte finden vorwiegend mit Schusswaffen auf mittlere Distanz statt, aber auch der Nahkampf spielt eine Rolle. Richtige Großkaliber fehlen dem Spiel, auf Scharfschützen wird verzichtet. Dafür bietet das Arsenal ein reichhaltiges Angebot aus Maschinenpistolen, Shotguns und anderen Schießeisen, mit der sich die internationale Spezialeinheit bis an die Zähne bewaffnet. Je nach Entfernung zum Feind und zuvor gewählter Deckung, ergibt sich eine andere Trefferwahrscheinlichkeit. Diese Werte lassen allerdings zu Wünschen übrig, denn oft gehen Schüsse mit einer Quote von über 90% willkürlich daneben, während Versuche im einstelligen Bereich präzise im Ziel versinken. In jedem Fall aber kostet so ein Angriff wertvolle Aktionspunkte, die pro Zug nur begrenzt zur Verfügung stehen. Selbst die Fortbewegung auf dem Schlachtfeld belastet das Punktekonto, was ein stetes Haushalten voraussetzt. Doch keine Sorge, Achtung! Cthulhu Tactics ist ein extrem zugängliches Spiel. Vor allem in den ersten Spielstunden geht es verhältnismäßig einsteigerfreundlich zu, komplexe Mechaniken entfalten sich nur langsam. Trotzdem darf jeder selbst über den Anspruch entscheiden, dafür sorgen vier unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. Darüber hinaus lassen sich alle Charaktere per Level-Up in ihren Werten verbessern, mit aktiven und passiven Spezial-Fähigkeiten versehen und sogar alternativ bewaffnen. So eine neu erworbene Handgranate sorgt für frischen Wind in den Scharmützeln und wer ein Medipack bei sich trägt, muss sich um zukünftige Verletzungen nicht länger sorgen. Sollte ein Charakter doch einmal hopsgehen, ist das kein Grund zur Panik. Perma-Death existiert hier nicht, Verbündete können sofort wiederbelebt oder in einer extra dafür angelegten Rettungsmission zurück ins Reich der Lebenden befördert werden.

Weniger erfreulich ist hingegen die Tatsache, dass es keine Möglichkeit gibt, gegnerische Spielzüge zu überspringen oder wenigstens zu beschleunigen. Da starrt man ganz schön oft auf den Bildschirm und sieht gelangweilt dabei zu, wie sich irgendwas in den Schatten bewegt. Apropos, denn die Umsetzung für Nintendos Hybridkonsole ist mit Achtung! Cthulhu Tactics nicht gerade perfekt gelungen. Einmal mehr plagen Handheld-Spieler viel zu kleine Bildschirmtexte und beim Wechsel zwischen den Spielzügen kommt es häufig zu Einbrüchen in der Bildrate. In seltenen Fällen friert das Geschehen sogar kurzzeitig ein.


Achtung! Cthulhu Tactics ist seit dem 24. Januar 2019 auch für die Nintendo Switch erhältlich. Aktuell wird ausschließlich eine digitale Version angeboten, die mit 24,99 € zu Buche schlägt.

Für den Test zu Achtung! Cthulhu Tactics auf der Nintendo Switch, wurde uns ein Review-Code von unseren Medienpartnern der Plan of Attack-Agentur zur Verfügung gestellt.

Dennis
62%

Achtung!

Achtung! Cthulhu Tactics ist ein solides Taktikspiel, das seine Lizenz komplett verschenkt und spielerisch nur schwer bei Laune hält. Nette Ideen, Story-Schnipsel in Ladesequenzen und ein nicht auswechselbarer Trupp von lediglich vier blassen Charakteren reichen einfach nicht aus, um über 10 Stunden lang zu motivieren. Anhängern des Cthulhu-Kults wird hier ziemlich vor den Kopf gestoßen und selbst beinharte Strategiespieler finden auf der Nintendo Switch weitaus bessere Alternativen. Wer von beidem nicht genug bekommt, darf gerne mal reinschnuppern, sollte aber kein Highlight erwarten.

  • Grafik
  • Sound
  • Story / Atmosphäre
  • Steuerung
  • Umfang
About author

Dennis

Nicht der Redakteur, den diese Seite verdient, aber der, den sie braucht. Oder wie war das? Pride und Rocket League. Selbstgestrickte Socken und Visual Novels.

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