Dennis
Nicht der Redakteur, den diese Seite verdient, aber der, den sie braucht. Oder wie war das? Pride und Rocket League. Selbstgestrickte Socken und Visual Novels.
Anwalts Liebling? 2006, mein erstes Jahr als Spitzenanwalt (Ace Attorney). Ich wusste damals wohl einfach nicht so recht, was als nächstes in den Slot meines Nintendo DS wandern sollte und beschloss, mir diese merkwürdige Visual Novel zuzulegen, von der plötzlich überall die Rede war – Ace Attorney: Phoenix Wright....
2006, mein erstes Jahr als Spitzenanwalt (Ace Attorney). Ich wusste damals wohl einfach nicht so recht, was als nächstes in den Slot meines Nintendo DS wandern sollte und beschloss, mir diese merkwürdige Visual Novel zuzulegen, von der plötzlich überall die Rede war – Ace Attorney: Phoenix Wright. Vor dem Kauf galt es aber erst einmal, die anfängliche Skepsis zu überwinden. Denn wohlgemerkt war 2006 noch nicht unbedingt das Jahr, in dem japanisch angehauchte Genres, wie eben die digitale Visual Novel, hierzulande ihren großen Durchbruch feierten. Auch die heutigen Könige ihrer Art, Danganronpa und die 999-Serie, steckten damals noch in ihren Kinderschuhen und konnten dem Anwalt im blauen Anzug nicht den eigentlich so verdienten Rückhalt bieten.
Mir erging es wohl ziemlich ähnlich. Nach nur kurzer Zeit mit dem Spiel, versuchte ich jeden im Freundeskreis in den virtuellen Gerichtssaal zu ziehen und schwärmte nur so vor mich hin, was sich in der Blütezeit von Sonys Playstation Portable sichtlich schwer gestalten sollte. Blockbuster-Titel mit feinster Grafik gegen gezeichnete Charaktere und Endlos-Textboxen? Auf diesen Tausch ließ sich natürlich kaum jemand ein.
Vielleicht lag die Zurückhaltung aber auch schlicht und ergreifend am durchaus exotischen Genre-Mix. Seit seinem Debüt vor über 11 Jahren, versteht sich die Serie als Gerichtssimulation und Adventure gleichermaßen. Grob erklärt, übernehmen wir die Rolle eines Strafverteidigers, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Unschuld seiner Mandanten in diversen Verbrechen zu beweisen. Neben den Ermittlungen, in denen wir in alter Adventure-Manier Tatorte nach Hinweisen absuchen und Zeugen befragen, spielen auch die charakteristischen Gerichtsverhandlungen eine zentrale Rolle. Hier müssen wir dann Falschaussagen in Kreuzverhören aufdecken und sie mit zuvor gefundenen Beweismitteln widerlegen, um so den wahren Täter zu überführen. Dabei lebt die Serie von grandios geschriebenen Kriminalfällen, die trotz einer eher gemächlichen Spielgeschwindigkeit, extrem spannend inszeniert sind.
Heute, ganze sechs Hauptteile der Ace Attorney-Reihe später, bin ich überhaupt nicht mehr skeptisch und zähle die Serie zu meinen Top-Favoriten. Keine Ahnung, wie viele Zeilen der toll geschriebenen Dialoge ich bereits gelesen habe, doch ich eines ist sicher: Ich bekomme davon nie genug. Hand aufs Herz, Ace Attorney läuft bei mir rauf und runter. Habe ich gerade mal wieder die Trilogie der ersten drei Ableger durchgespielt, geht es an einen neuen Durchlauf in Dual Destinies oder Spirit of Justice. Doch, welch Blasphemie, ein Teil fehlte mir bisher in der Sammlung.
Ace Attorney: Apollo Justice – der vierte Hauptableger der Serie, der bis vor kurzem noch ohne Nintendo 3DS-Portierung auskommen musste und zu seiner Zeit als echtes Novum galt. Erstmals begleiten wir nämlich nicht Serien-Urgestein Phoenix Wright, sondern den jungen Apollo Justice in die heiligen Hallen der Justiz. Zu unserer größten Überraschung, steht uns der ehemalige Strafverteidiger-Veteran als Hauptverdächtiger in einem clever gestrickten Mordfall um Kartentricks und Pokerchips gegenüber.
Doch kann der charismatische Ex-Anwalt mit Stachelfrisur und blauem Anzug wirklich der Täter sein? Nun, das herauszufinden, liegt natürlich ganz bei uns und unseren Fähigkeiten, die langsam auftauchenden Beweismittel geschickt einzusetzen. Genaues Hinschauen lohnt sich, denn das Untersuchen von Fundstücken ist eine weitere Neuerung, die erst mit Apollo Justice ihren Einzug in die Serie fand. Durch geschickten Einsatz des Touchscreens, lassen sich so zum Beispiel versteckte Hinweise auf bereits erhaltenen Beweismitteln finden. Im späteren Spielverlauf entdecken wir auf diese Weise auch Fingerabdrücke oder Blutspuren. Außerdem verfügt Apollo über eine Spezialfähigkeit, die ihn nervöse Ticks bei verdächtigen Personen erkennen lässt – das kennen wir ja bereits aus den beiden exklusiven 3DS-Ablegern.
Aber auch, wenn wir uns die meiste Zeit gemütlich durch unvertonte Texte klicken und hier und da unsere grauen Zellen anstrengen müssen, ist trotzdem Vorsicht geboten. Während der Gerichtsverhandlungen erhalten wir eine Art Lebensbalken, die mit jedem Fehlverhalten weiter abnimmt. Das kann eine unzulässige Anschuldigung oder gar das richtige Beweismittel zur falschen Zeit sein. Im schlimmsten Fall endet die Verhandlung frühzeitig und unser Mandant wird fälschlicherweise Schuldig gesprochen. Dann hilft nur noch ein Neustart vom letzten Checkpoint, den wir uns aber jederzeit selber setzen dürfen. Für das 3DS-Remaster hat der Titel sogar extra einen Speicherbutton auf dem unteren Bildschirm erhalten – wie praktisch.
Und wo wir gerade von Neuerungen sprechen, natürlich hat sich auch auf technischer Ebene etwas getan. Während das Remaster der klassischen Trilogie noch mit kargen Hintergründen und ebensolchen Charaktermodellen zu kämpfen hatte, glänzt Apollo Justice nun stilsicher und halbwegs modern auf dem Nintendo 3DS. Etliche Details und passende Schattierungen verhelfen den zweidimensionalen Charakterzeichnungen zu deutlich mehr leben, die Szenarien wirken jetzt viel ansprechender. Ein 3D-Effekt hat es ebenfalls in den Titel geschafft. Zwar darf man hier keine Wunder erwarten, der von Natur aus platten Visual Novel tut das optische Spiel mit den Höhen und Tiefen aber erstaunlich gut. Gleiches gilt für den Sound, der mit seinen charakteristischen Themes nun weitaus qualitativer aus den Lautsprechern dringt und oft zu einem Großteil der Spannung beiträgt.
Eine Sprachausgabe gibt es selbstverständlich nicht. Wer Ace Attorney: Apollo Justice spielen will, sollte wirklich Bock aufs Lesen haben – vertont wurde hier wieder nur der unverwechselbare OBJECTION!-Ruf. Allerdings solltet ihr dafür der englischen Sprache überaus mächtig sein, denn wie es sich für die Reihe mittlerweile gehört, hat Capcom auf eine Lokalisierung vollständig verzichtet. In Anbetracht der Masse von Texten und der teils schon kniffligen Puzzle-Elemente, solltet ihr euch sprachlich also auf deutlich gehobenem Niveau befinden. In der Sprache geübte Spieler, aktivieren dann nämlich auch die neue Skip all text-Option, die es ermöglicht, Texte schneller über den Bildschirm laufen zu lassen. Puristen freuen sich des weiteren über die optionale, japanische Version des Spiels, die nicht nur mit originalen Bildschirmtexten und Audiospuren, sondern auch eigenem Speicherstand daherkommt, da es hier – aufgrund der Lokalisierung – doch ein paar kleine Unterschiede gibt.
Ace Attorney: Apollo Justice ist seit dem 23. November 2017 auch für den Nintendo 3DS erhältlich. Für knapp 20 Euro könnt ihr euch den Titel aus dem Nintendo e-Shop herunterladen. Eine Smartphone-Version für iOS und Android ist ebenfalls seit einiger Zeit erhältlich.
Der Test basiert auf unserem Testmuster von Ace Attorney: Apollo Justice für den Nintendo 3DS, das uns freundlicherweise von Capcom zur Verfügung gestellt wurde. Screenshots stammen diesmal vom offiziellen Presse-Server des Herstellers, da durch die Einstellung des MiiVerse nun keine eigenen Screenshots mehr möglich sind.
Spannende Fälle, ein genialer Humor und äußerst sympathische Charaktere. Nichts neues innerhalb der Ace Attorney-Reihe, aber drei garantierte Qualitätsmerkmale, die auch Apollo Justice zu einem gelungen Abenteuer machen. Endlich hat es auch dieser Ableger als Remaster auf den Nintendo 3DS geschafft und begeisterte Spieler können nun die komplette Saga in neuer, äußerst hübscher Aufmachung erleben. Fans freuen sich über den modernen, aber dennoch traditionellen Look und ein paar bequeme Zusatz-Features dieser Neuauflage. Neueinsteiger sollten hingegen vielleicht erstmal mit der klassischen Trilogie beginnen, denn auch wenn jeder Ableger für sich selbst funktioniert, sind doch gerade die Beziehungen zwischen den Charakteren ein wichtiger Bestandteil der Narrative. Ansonsten: Ein absoluter Pflichtkauf für jeden, der auch nur annähernd etwas mit Visual Novels oder spannenden Adventure-Titeln anfangen kann.
Nicht der Redakteur, den diese Seite verdient, aber der, den sie braucht. Oder wie war das? Pride und Rocket League. Selbstgestrickte Socken und Visual Novels.