Monster Hunter Wilds im Test – Die (nicht so) Schöne und das Biest

Monster Hunter Wilds 1 Monster Hunter Wilds im Test - Die (nicht so) Schöne und das Biest

Mit Monster Hunter Wilds startet die traditionsreiche Reihe endlich in die nächste Runde. Besonders wild und actionreich soll es diesmal zugehen, doch taugt das auch für langjährige Fans oder wird hier der Odogaron in der Pfanne verrückt? Rate mal mit Rathian – Unser Test zur brandneuen Monsterjagd auf der Xbox Series X.

Monster Hunter Wilds 1 Monster Hunter Wilds im Test - Die (nicht so) Schöne und das Biest

Hachja, Monster Hunter. Du und ich, das wird wohl immer eine ganz besondere Beziehung bleiben. Auf der Playstation Portable hättest du mich fast in den Wahnsinn getrieben, während mein viel zu junges Gamer-Ich damit beschäftigt war, buchstäblich kleine Erfolge zu feiern. Zwar vergingen etliche Stunden bis das erste Monster auf dem Boden lag, doch das Erfolgsgefühl, zum allerersten mal einen Velociprey erjagt zu haben, ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Nein, keine Chance, erschallte es allerdings nur wenig später aus den heiligen Hallen der Jugend und der verzweifelte Versuch, mich einer Rathian zu stellen, entpuppte sich schnell als vorzeitiges Aus zwischen mir und diesem scheinbar ganz persönlichen Projekt zwischen Begeisterung und Demut.

Ein paar merkwürdige Publishing-Deals und den von mir verpassten Releases auf Wii und Wii U später, ging es mit Monster Hunter 4 Ultimate endlich weiter. Den fast zwangsläufigen Kauf des wirklich wilden Circle Pad Pro konnte ich zumindest damit rächen, mich frühzeitig in irgendwelche High Rank-Lobbys zu schleichen, in denen ich einfach so mitgezogen wurde und entsprechende Ausrüstung erhielt, die mich über die gesamte Solo-Kampagne des Nintendo 3DS-Ablegers tragen würde – ja, so ein Edgelord war ich mal. Zugegeben, die richtige Monster Hunter-Erfahrung sollte das natürlich nicht darstellen, die erschloss sich mir erst mit den modernen Ablegern World und Rise.

Nichts schreit das Wort Atmosphäre lauter, als ein wütender Rey Dau in einer von zahllosen Blitzen erhellten Diamantenhöhle.

Denn plötzlich erstrahlte die Reihe in einem völlig neuen Licht – mit hochwertig dargestellten Umgebungen, toller Präsentation und einem überarbeiteten wie vereinfachten Kampfsystem, was mir und vielen anderen endlich die Möglichkeit gab, vollständig in dieses sagenumwobene Franchise einzusteigen. Riesige Kreaturen waren auf einmal bezwingbar und stellten nicht länger die unüberwindbaren Hürden meiner Jugend dar, während sie so anmutig durch den Urwald stapften oder sich in den eisigen Höhlen einer winterlichen Tundra versteckten. HR, G-Rang oder Talismane gingen in den normalen Sprachgebrauch über und wenn es doch mal brenzlig wurde, feuerte man ein Notsignal ab, das hilfsbereite Spieler aus aller Welt anlockte. Nicht etwa, damit sie die Arbeit für mich erledigen, sondern um mich aktiv zu unterstützen, damit ich besser werde. Diesen Initiationsritus längst überstanden, konnte ich die Veröffentlichung von Monster Hunter Wilds gar nicht abwarten. Es sollte mein Moment werden, genauer gesagt mein persönlicher Guitar Hero-Moment, für den ich die zaghaft-klackernden Geräusche meiner Plastikgitarre längst in halbwegs professionelles Geschrammel auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad eingetauscht hatte und nun schlicht bereit war, direkt auf einem ganz anderen Niveau mit einem völlig neuen Ableger loszulegen. Doch was ich dabei tatsächlich fand, ist…anders wild!?

Monster Hunter Wilds 6 Monster Hunter Wilds im Test - Die (nicht so) Schöne und das BiestIm Osten viel Neues?

Oh, du heiliges Monster Hunter Wilds, jetzt verfügst du sogar über ein vollkommen eigenständiges Ökosystem im bislang unentdeckten Osten, in dem sich winzige bis riesengroße Monster bei einem dynamischen Tag- und Nachtwechsel lebensnah über den Weg laufen, während die neuen Extremwetter-Ereignisse stille Gewässer in tosende Fluten oder den farblosen Anblick einer subtropischen Steppe in saftig grüne Grasflächen verwandeln. Detailverliebter denn je, springen interessierten SpielerInnen jederzeit zahlreiche Kleinigkeiten ins Auge, die dieser urzeitlich anmutenden Welt zu einem ganz eigenen Leben verhelfen. Vom natürlichen Idyll eines Regenwalds bis zur schroffen Schönheit inmitten fließender Lava oder klirrender Kälte, hält der jüngste Titel im Franchise erstaunlich viel parat, um euch optisch bei Laune zu halten. Dass dabei alles so organisch und wie aus einem Guss wirkt, ist bloß die blutig-rote Kirsche auf diesem leckeren, dreidimensionalen Panorama-Pancake. Weitläufige Areale hier, ein paar Orte von Interesse dort, wäre die Welt von Monster Hunter ein wenig friedlicher, ich würde hier wohnen wollen.

Doch apropos, denn selbstverständlich sind es nicht die unkenden Kröten oder sich in friedfertig zusammengeschlossenen Gruppen und umherstapfenden Herbivoren, die den fünf unterschiedlichen, jederzeit frei erkundbaren Biomen das Vorsichts-Prädikat aufdrücken, sondern die titelgebenden Monster. Von Genre-Urgesteinen wie dem Rathalos, der Rathian, über einen augenscheinlich völlig verrückt gewordenen Anjanath, bis hin zu kreativen Neuzugängen bietet der Kader aus insgesamt 29 Bestien unterschiedlichster Couleur das volle Spektrum aus Ehrfurcht und Jagdfieber. Nichts schreit das Wort Atmosphäre lauter, als ein wütender Rey Dau in einer von zahllosen Blitzen erhellten Diamantenhöhle. Oder ein wütender Uth Duna, der den überfluteten Tropenwald während der Regenzeit in sein persönliches Schwimmbecken verwandelt und ihr völlig unverhofft zu kleinen, hilflosen Forscher-Fischen mutiert. Die Frage nach dem Jäger oder dem Gejagten drängt blitzschnell an die Oberfläche, doch hat zwischen all der kurzweiligen Action nur selten Zeit zum Luftholen.

…während euer eigens erstellter Charakter nun tatsächlich eine vollwertige Vertonung erhalten hat und zusammen mit dem restlichen Cast deutlich gerührt in einen Tenor aus „Oh, nein“ und „Wir müssen etwas tun“ stimmt.

Dazu gesellt sich eine actionreich inszenierte Story aus spannungsgeladenen Sequenzen und vermeintlich bedeutungsschwangeren Dialogen zwischen durchaus sympathischen Charakteren, deren widerhallender Applaus zumindest im Popkornkino Anklang und Bedeutung findet. Kreaturen fliegen durch die Lüfte, bekämpfen einander imposant und stellen eine ernsthafte Bedrohung für diese scheinbar doch so fragile Welt dar, während euer eigens erstellter Charakter nun tatsächlich eine vollwertige Vertonung erhalten hat und zusammen mit dem restlichen Cast deutlich gerührt in einen Tenor aus „Oh, nein“ und „Wir müssen etwas tun“ stimmt. Mehr Hollywood-hau-drauf als Arthouse-Produktion, trifft die diesmal wirklich ehrgeizig erzählte Geschichte genau diesen Ton aus kompromissloser Action und wahrhaft monstermäßig guter Inszenierung, kann aber kaum darüber hinwegtäuschen, dass es sich inhaltlich hierbei um eine ganz merkwürdige Mischung aus Jurassic Park-Anleihen und einem Isekai-Narrativ handelt.

Vom Kochen und verschwundenen Hunden

Spielerisch gibt sich Monster Hunter Wilds dagegen äußerst traditionell. Während sich Präsentation und World-Building wie ein konsequent weitergedachter Feinschliff aus Monster Hunter World anfühlen, hat sich Entwickler Capcom für das Gameplay vorwiegend beim quasi-Vorgänger Rise bedient. Das Bekämpfen der riesigen Bestien fühlt sich somit gewohnt geschmeidig an und macht schlicht süchtig. Bis auf Elden Ring und wenige weitere Ausnahmen, besitzt Monster Hunter nach wie vor das seltenen Privileg, mich und Millionen anderer SpielerInnen alleine aufgrund des großartigen Gameplays immer wieder vor den Bildschirm zu fesseln. Jeder Kampf ist viel mehr ein Tanz aus nur langsam einstudierten Bewegungen, die sich meinem meterhohen Widersacher mit jedem Schritt anpassen und dank steigender Erfahrung schon bald eine leidenschaftliche Salsa aufs Parkett legen. Das Prinzip dahinter? Immer stärkere Monster erjagen, um sich aus den daraus gewonnenen Teilen neue Ausrüstung zu basteln, um immer stärkere Monster zu erjagen, usw. Ein simpler sowie genialer Kreislauf, der nicht ohne Grund den größten Identitätswert der Reihe darstellt. Brandneue Waffen bleiben dem Arsenal zwar weiterhin fern, dafür dürft ihr nun zwei Hauptwaffen gleichzeitig ausrüsten und nach Lust und Laune zwischen ihnen wechseln. Klingt erstmal beiläufig, führt aber tatsächlich dazu, auch mal ein alternatives Kampfgerät auszuprobieren.

Ach, und kann sich eigentlich noch jemand an die meist lizenzierten Dinosaurier-Spielzeuge der späten 90er-Jahre erinnern? Klar, irgendwie waren die alle richtig cool, doch wer von sich und dem Inhalt seines/ihres Schulranzens etwas halten wollte, kam nicht um die Viecher mit den integrierten Wunden herum. Ob offen getragen oder durch ein herausnehmbares Stück Plastik verdeckt, galt der vermeintliche Kindergarten-Gore als buchstäblich kleines Statement zum Erwachsenwerden. Aus weitaus praktischeren Gründen, dürfen die Kreaturen in Monster Hunter Wilds nun auch Verletzungen tragen. Grundsätzlich stellt diese Neuerung eine vereinfachte, visuell zugänglichere Form für Schwachpunkte und das Brechen einzelner Körperteile dar. Schlagt ihr lange genug auf eine Stelle am Körper der jeweiligen Bestie ein, werden im ebenfalls neu hinzugefügten Fokus-Modus Verletzungen sichtbar, die sich mit einem entsprechenden Fokus-Angriff besonders effektvoll und schmerzhaft zerstören lassen, was zusätzlichen Schaden und weitere Material-Boni verspricht.

Jeder Kampf ist viel mehr ein Tanz aus nur langsam einstudierten Bewegungen,…

Der aus Monster Hunter Rise bekannte Palamute weicht nun dem deutlich flinkeren Seikret-Reittier, das sämtliche Vorteile seines kaltschnäuzigen Vorgängers zu kennen scheint, darüber hinaus aber auch eine zusätzliche Auto-Pilot-Funktion mitbringt und euch automatisch an den Ort eurer Wahl transportiert. Etwa um seltene Mineralien oder andere Rohstoffe auf der jederzeit frei erkundbaren Karte zu sammeln oder um Taxi zum nächsten Monster zu spielen. Doch auch selbst ist der Jäger, so sagt man bekanntlich, weshalb ihr euer stärkendes, mit allerlei Buffs und Boosts versehenes Essen nun eigenständig zubereiten müsst. Scheinbar ist das auf den angestrebten Open World-Charakter des Spiels und die Möglichkeit, Monster jederzeit ohne das vorherige Auswählen einer Quest bekämpfen zu dürfen zurückzuführen, stellt aber genauso wenig ein echtes Problem dar. Eigene Mahlzeiten zaubert ihr nämlich ebenso schnell wie der verschwundene Felyne-Koch und dürft den Ort des Festmahls dabei sogar vollkommen frei bestimmen. Wer sich bereits jetzt ein wenig alleine gelassen fühlt, darf beruhigt aufatmen. Auf Wunsch lassen sich in Monster Hunter Wilds nämlich zusätzliche NPC-Mitstreiter herbeirufen, die während der aktiven Quest an eurer Seite kämpfen. Somit seid ihr nicht länger von euren Freunden oder zufälligen SpielerInnen aus aller Welt abhängig und könnt schwierige Auseinandersetzungen trotzdem in Begleitung abschließen, während die neue Online-Struktur eher einen tendenziellen MMO-Ansatz verfolgt, was aber ebenfalls durchaus gelungen wirkt.

Tja, klingt doch alles wunderbar und nach dem besten Monster Hunter, das es jemals gab. Oder etwa nicht? Naja, Moment mal, denn so ambitioniert und zugänglich der neueste Ableger erscheinen mag, so sehr kehrt er seinen Ursprüngen und langjährigen Fans auch den von Stacheln bewachsenen Rücken.

Komm doch her, großer Bär

Es mag ein Phänomen sein, das sich nur durch Subjektivität und Voreingenommenheit erklären lässt, doch zumindest gefühlt ist Monster Hunter Wilds das bislang einfachste Monster Hunter überhaupt. Ein perfekter Einstieg für Neulinge, aber kaum eine weiterentwickelte Iteration für Fans der ersten Stunde. Selbstredend greifen die hier immer noch bedenkenlos zu, schließlich bleibt das Kerngameplay über jeden Zweifel erhaben. Doch irgendwie drängt sich mir der Gedanke auf, dass die Reihe langsam, dafür umso bewusster und kontinuierlich eine zugänglichere Form annimmt und ihren teils frustrierend hohen Anspruch auf Kommando verlieren soll. Warum? Weil es eben nicht länger darum geht, eine Arbeit mit Leidenschaft zu versehen und sich darüber zu freuen, wenn es bei Veröffentlichung ein paar wenige Menschen interessiert, die daraus den nächsten Geheimtipp spinnen, sondern um ein Produkt. Um Zahlen, um Gewinne. Um große Interessen und den bestmöglichen Absatz. Ob man den mit der klassischen Formel der Reihe heute noch generieren könnte, bleibt ohnehin eher fraglich.

…der mir von „Das Leben findet einen Weg“ bis hin zu künstlich erschaffenen Monstern ein absolut schräges Worst of des gesamten Jurassic Park-Franchise präsentiert.

Das trifft leider auch auf die Kinoreife Inszenierung zu, denn nach der hat schlicht niemand gefragt. Hübsch und kurzweilig lassen sich die Clips ja anschauen, doch wirken sie reichlich Fehl am Platz in einer Reihe, die sich den Begriff Kerngameplay derart unverkennbar auf die Brust geschrieben hat und durch ihre schnörkellose Pragmatik eigentlich stets begeistern konnte. Stumme Charaktere und ein schmückendes Beiwerk aus irgendeiner austauschbaren, nicht unbedingt näher definierten Bedrohung als Narrativ, das ist Monster Hunter. Umso erstaunlicher, dass sich unter dem Effektgewitter von Wilds eben genau diese Belanglosigkeit wiederfindet. Natas Suche nach seiner verlorenen Heimat ist keine unvergessliche Reise nach Mordor, sondern ein intellektueller Kurztrip, der hilflos wirkende Versuch, dem eigentlich so interessanten Setting einer bislang unentdeckten Welt dramaturgischen Ausdruck zu verleihen. Währenddessen erlebe ich einen Plot, der mir zwischen „Das Leben findet einen Weg“ und künstlich erschaffenen Monstern ein absolut schräges Worst of des gesamten Jurassic Park-Franchise präsentiert. Charaktere reden ununterbrochen, aber sagen praktisch nichts. Versteht mich nicht falsch, innerhalb seiner Popkornkino-artigen Inszenierung funktioniert das einigermaßen gut, doch dass hierfür scheinbar derart viele Ressourcen ver(sch)wendet wurden und offensichtlich genau deshalb die Riege an Monstern verhältnismäßig klein ausfällt, fühlt sich an wie vergossene (Wyvern-)Milch.

Und ja, 29 Monster, das klingt erstmal nach viel, doch im Vergleich mit Rise, fällt der Kader in Monster Hunter Wilds überraschend klein aus. Zumal gleich drei Varianten auf das Flagship-Monster Arkvelt fallen und sich viele Designs einfach zu sehr ähneln. Neuzugang Doshaguma, ein riesiger, oft im Rudel umherziehender Riesen-Bär, verfügt ebenfalls über zwei sich deutlich ähnelnde Versionen, während Rathalos, Rathian und Wächter-Rathalos nun auch keinen Innovationspreis in der Kategorie Design gewinnen. Gefühlt finden sich hier lediglich 15 wirklich diverse Bestien, wobei sich das Artdesign vorwiegend eher gewöhnungsbedürftig zwischen den düster-fantastischen Grautönen eines Resident Evil bewegt, anstatt optisch auf den bislang vertrauten Urzeit-Ruf der Wildnis zu setzen. Ich meine, wir haben jetzt ein Monster, das einem Pestdoktor nachempfunden ist…Zu allem Überfluss, fallen die Viecher um wie die Fliegen. Seid ihr einmal im Flow oder habt online eine gut funktionierende Gruppe parat, malträtiert ihr jedes noch so gefährliche Biest, ohne dass dieses vor seinem Ableben auch nur einmal auf die Beine kommt. Eine gewisse Portion Herausforderung mag ich Monster Hunter Wilds zwar weiterhin nicht absprechen, doch fehlt es offensichtlich an einer ernstzunehmenden Balance im allgemeinen Schwierigkeitsgrad. Ich spreche hier auch gar nicht von Zugänglichkeit, die ist schließlich immer willkommen. Nein, Monster Hunter Wilds ist schlicht zu einfach. Selbst die größten, faktischen Bedrohung im Spiel, nämlich Arkvelt und Urgestein Gore Magala, bringen mich kaum dazu, meine Ausrüstung auf ihren möglichen Maximalwert zu steigern. Elementarschwächen und die Sorge vor Statuseffekten lasse ich dabei mal völlig außen vor, denn vor denen muss ich mich hier gar nicht so sehr fürchten.

Die Open World – Wilder Tiger oder handzahmes Kätzchen?

Wenn nach knapp 16 Stunden die Kampagne als abgehakt gilt und sich eigentlich Freude auf das Endgame ausbreiten sollte, bleibt gar nicht mehr so viel übrig, für das ich meine Zeit tatsächlich aufopfern möchte. Auf der Suche nach der ultimativen Challenge, stolpere ich bloß wieder über das Flagship-Monster und den düsteren Gore Magala, was selbst im Rahmen der angedachten, ständigen Wiederholung irgendwann zur Farce wird und nur noch annähernd daran erinnert, wie viel Zeit meines Lebens ein jeder Ableger der Reihe bislang verschlingen konnte – vom Spiel durch langlebige Inhalte ausgelöst oder intrinsisch motiviert. Was am Ende bleibt, ist bloß noch die ungemein nervtötende Jagd nach den Goldkronen, die durch ein paar Kniffe merkbar vereinfacht wurde, im Kern aber weiterhin jenen sadistischen Seelen vorbehalten bleibt, die mit jedem neuen Pokémon auch den kompletten Pokédex füllen. In meinen gut 60 Gesamtstunden mit dem Titel stecken sämtliche Nebenquests, die Kampagne, ein Großteil ebenjener Kronenjagd, hunderte erjagte Monster, eine beachtliche Anzahl gemütlich gefangener Fische und der Austausch mit der durch das neue Lobby-System wunderbar integrierten Community. Aber eben leider keine Drachen-Ältesten, kein G-Rank oder ähnliches. Sogar bislang extrem seltenes Crafting-Material erscheint nun deutlich häufiger und lässt sich stellenweise sogar vorhersagen, da manche Monster mit einer bestimmten Liste an garantierten Items auf der Karte erscheinen. So lässt sich zwar viel Mühe sparen, doch entzaubert es auch den ursprünglichen Gedanken der Reihe, wie ein Wahnsinniger für ein bestimmtes Herstellungsobjekt zu grinden.

Und da wir hier schon von Entzauberung sprechen, kann ich der Spielwelt ihre gelungene Ästhetik zwar nicht absprechen, aber guten Gewissens verraten, dass die verheißungsvolle Tagline Wilds nur wenig mit der eigentlichen Spielerfahrung gemein hat. Ja, das erste Gebiet, eine Mischung aus Sandwüste und Steppe kommt überraschend weitläufig daher und bietet einige große Areale, doch grundsätzlich bleibt das alles bloß fadenscheinige Augenwischerei. Denn auch Monster Hunter Wilds bietet prinzipiell dasselbe schlauchartige Leveldesign wie ihr es bereits aus World und Rise kennt. Optisch und in Sachen Volumen legt dieser Ableger zwar noch eine ganze Schippe obendrauf, aber letztendlich nur, um lediglich den Eindruck von Größe und neu gewonnener Freiheit zu vermitteln. Selbst die verschwundenen Ladezeiten und die nun vollständig zusammenhängende Spielwelt funktionieren nur dank des obligatorischen Tricks der Verwendung von kargen Röhrenabschnitten, die ihr vor jedem neuen Biom durchschreiten müsst und als Ersatz für den klassischen Ladebildschirm dienen.

Ohnehin scheint sich Capcom mit dem Einsatz der hauseigenen RE Engine ein wenig übernommen zu haben, denn die versprochene Pracht erstickt viel zu häufig im matschigen Texturen-Brei oder leidet unter einer auffällig geringen Bildwiederholungsrate. Im angedachten Performance-Modus und meiner buchstäblichen Qual der Wahl erreicht das Geschehen auf dem Bildschirm nur äußerst selten die angepeilten 60 Bilder pro Sekunde, während ich mich hinsichtlich der Auflösung ernsthaft frage, ob ich hier wirklich auf einer Xbox Series X oder vielleicht doch der Nintendo Switch spiele. Schade, denn für Fans hierzulande ist diesmal sogar eine komplette Lokalisierung mit an Bord, die eine deutsche Sprachausgabe mit ebenso deutschen Bildschirmtexten und Untertiteln kombiniert. Der Sound verwöhnt die Ohren nach wie vor, wobei die Reihe mir bereits stimmungsvollere Orchestor-Kompositionen aus den Lautsprechern zaubern konnte. Das ikonische Proof of the Hero aus Monster Hunter Wilds zähle ich sogar zu den bislang schlechtesten Versionen des allseits beliebten Themes, wobei das allgemeine Sounddesign weiterhin stimmig bleibt und den vorwiegend aufreibenden Momenten den richtigen Klang verpasst.


Monster Hunter Wilds ist seit dem 28. Februar 2025 für den PC via Steam, die Xbox Series X/S und Playstation 5 verfügbar. Die Standardversion kostet euch den Vollpreis von knapp 79,99€, wobei ihr auch zu zwei weiteren Deluxe-Editionen greifen könnt, die ein paar digitale Kosmetik-Extras versprechen und mit bis zu 119,99€ zu Buche schlagen.

Für diesen Testartikel von Monster Hunter Wilds auf der Xbox Series X, wurde uns freundlicherweise ein Reviewcode vom Publisher Capcom zur Verfügung gestellt. Screenshots stammen wie üblich aus dem offiziellen Presse-Kit.


Fazit – Score: 7.5/10

Während das Kerngameplay über jeden Zweifel erhaben bleibt und dank vieler Verbesserungen im Detail nun noch flüssiger von der Hand geht und schlicht enormen Spaß macht, wandelt Monster Hunter Wilds für sein unnötig ausladendes Narrativ und die leicht fadenscheinige Spielwelt auf seltsamen Pfaden. Dass ein durchdachtes, bis an die 100 Stunden motivierendes Endgame scheinbar zulasten einer groß angelegten Story und dem Augenwischerei-Bombast der unterschiedlichen Biome weichen musste, macht mich bestenfalls betroffen. Über das auffällige Recycling der eigentlich so tollen Kreaturen und ihren geringen spielerischen Anspruch stolpere ich viel zu früh und auch die Technik verpasst der immersiven Erfahrung ein paar erhebliche Schnitzer. Monster Hunter Wilds ist ein Titel, der neue SpielerInnen freudestrahlend begrüßt, bleibt aber selbst für langjährige Fans der Titel to go in diesem Jahr. Nur leider werde ich das Gefühl nicht los, dass man sich hier absichtlich einer modernen, westlich geprägten Spielerschaft anbiedert, um sich gänzlich aus dem Nischen-Dasein zu befreien und mit den ganz großen Kandidaten der Branche mithalten zu können. Schade, denn für viele wird Monster Hunter die Reihe bleiben, an der man sich die Zähne auszubeißen hat, sich seine Sporen erst verdienen muss. Ein nerdiges Universum aus Ausrüstungsgegenständen, Zahlen und Werten. Nur eben kein vereinfachtes Produkt für die Massen.

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