Ys Memoire: The Oath In Felghana im Test – Knallharter Klassiker

Freunde, wir schreiben das Jahr 2025 und so langsam habe ich das Gefühl, dass die Ys-Reihe endlich die Liebe im Westen erfährt, die sie längst verdient. Mit konkreten Verkaufszahlen hält sich Kult-Entwickler Nihon Falcom zwar weiterhin zurück, doch die sorgsame Veröffentlichung der letzten drei Hauptableger hinterlässt zumindest das Gefühl stark gestiegenen Interesses. Innerhalb einer Community, die scheinbar versteht, welche Macht Spielspaß und eigene Identität über eine schwächelnden Präsentation haben, konnte die Reihe längst die großen Namen im Action-JRPG-Genre überholen. Hinzu gesellen sich ambitionierte Projekte wie der Nintendo Switch-exklusive Retro-Simulator EGGCONSOLE, mit dessen Hilfe auch die glorreichen Anfänge der Saga Einzug auf der Hybridkonsole hielten.

Doch ist damit das Portfolio der Reihe längst nicht erschöpft. Auf die (Neu-)Veröffentlichung einiger Spiele werden wir wohl noch deutlich länger warten müssen, als den meisten Fans lieb ist, als kleines Trostpflaster beglückt uns aber bereits jetzt das Remaster eines wahren Kultklassikers: Ys Memoire: The Oath in Felghana. Wobei, moment mal, das kennen wir doch schon. Richtig, und zwar von der Playstation Vita, der PSP und dem PC, wo der Titel bereits 2005 erschien, allerdings ebenfalls als aufgehübschte Neuauflage. Seinen tatsächlichen Ursprung findet dieser Ableger nämlich auf Nintendos NES-Konsole und dem japanischen Markt vorbehaltenen Computersystem unter dem Namen Ys III: Wanderers from Ys, was uns ganze 36 Jahre in der Zeit zurückreisen lässt.

Puh, vielleicht lassen wir die Vergangenheit an dieser Stelle lieber ruhen, hüllen den Mantel des Schweigens über die chronologisch einmal mehr verwirrende Veröffentlichungspolitik des Entwicklerteams Nihon Falcom (The Legend of Heroes…hust) und stellen uns die Frage, wie gut Ys Memoire: The Oath in Felghana heute noch und vor allem auf der Playstation 5 funktioniert.

Ach, Adol…

Es ist ja kein Geheimnis, dass Hauptdarsteller-Urgestein Adol Christin eher unfreiwillig in seine ausladenden Abenteuer gerät. Zur falschen Zeit am falschen Ort, davon kann der lebensfrohe Rotschopf bereits ein Liedchen singen. Diesmal trägt Kumpel fürs Leben Dogi die vermeintliche Schuld am Schlamassel, denn ein Besuch in seiner Heimat Felghana saugt das Duo in einen Strudel aus langjährigen Konflikten, einer übernatürlich-okkulten Bedrohung und den politischen Fehden eines adligen Herrschers. Zugegeben, die Formel ist bekannt und zusätzlich ziemlich vorhersehbar, doch unterm Strich erzählt Ys Memoire: The Oath in Felghana eine immer noch mitreißende Geschichte über Freundschaft und Herkunft und kann damit über die Spielzeit der Hauptquest von etwa 15 Stunden gelungen überzeugen.

[…] ein wunderbares Beispiel dafür, wie simple, dafür klug miteinander verzahnte Mechaniken ineinander greifen können und dabei ein nur schwer beschreibbares Gefühl von Spielspaß hervorbringen […]

Währenddessen bleibt die Charakterentwicklung etwas hinter ihren modernen Erwartungen zurück, was wohl auf die ursprüngliche Veröffentlichung und den damaligen Tenor in narrativer Erzählstruktur zurückzuführen ist – schließlich waren Videospiele zu Beginn der 90er-Jahre noch keine vollwertigen Romanerzählungen. Trotzdem bleibt es ein wahrer Genuss, dem nicht länger stummen Adol dabei zuzusehen, wie er immer tiefer in die Abgründe der teilweise durchaus düsteren Geschichte gerät. Spannend erzählte und neu geknüpfte Beziehungen geben der Erfahrung dabei eine genauso essentielle Würze, wie der unerschütterliche Optimismus des Protagonisten vor dem Hintergrund einer sich dem Untergang zugewandten Spielwelt…

Kämpfen im Flow

Apropos, denn bis auf wenige Ausnahmen in der Oberwelt, führt uns Ys Memoire: The Oath in Felghana für einen zentralen Teil seiner Spielzeit in verwinkelte, optisch abwechslungsreiche Dungeons, um dort seine größte Stärke auszuspielen: Das actionbasierte Hack and Slay-Kampfsystem. Etwas kopflos, dafür umso dynamischer, glänzen die häufigen Auseinandersetzungen gegen Monster und Co. mit einem überragenden moment to moment-Gameplay. Anstürmende Gegnerhorden schnetzeln wir blitzschnell und butterweich mit dem Schwert nieder, zaubern verheerende Elementar-Attacken aufs virtuelle Parkett und lassen dabei einen Kombozähler in die Höhe schnellen. Als besonderer Clou und größte Veränderung gegenüber des Originals, entpuppen sich dabei farbige, von besiegten Gegnern fallen gelassene Orbs. Die bunten Kügelchen sind euch vielleicht bereits aus Ys Origin ein Begriff, sorgen in jedem Fall aber für temporäre Boosts auf diverse Statuswerte. Fast schon Diablo-like heften wir uns quasi an die fiesen Widersacher, um die aktuelle Kombo bloß nicht zu verlieren und auch den immer weiter steigenden Multiplikator für Angriffs- und Verteidigungswerte sowie erhaltene Erfahrungspunkte bis aufs Maximum zu steigern. Zwischendurch lockern Plattformer-Einlagen das Geschehen gelungen auf und versprühen dank erlernbarer Doppelsprünge und weiteren Bewegungs-Mechaniken ein gewisses Metroidvania-Flair.

Im Prinzip zeigt Ys Memoire: The Oath in Felghana hier ein wunderbares Beispiel dafür, wie simple, dafür klug miteinander verzahnte Mechaniken ineinander greifen können und dabei ein nur schwer beschreibbares Gefühl von Spielspaß hervorbringen, dessen intrinsische Motivation an genau dieser Stelle entsteht. Selbstverständlich finden das Kampfsystem und die flüssige, gut von der Hand gehende Steuerung ihren absoluten Höhepunkt in den etlichen Bosskämpfen, die auch visuell einmal mehr verraten, wie viel Liebe für Design und Detail in dieser oft unterschätzten Reihe stecken. Spielerisch verlangen diese Scharmützel übrigens oft eine ganz eigene Herangehensweise, die es erst einmal herauszufinden gilt. Und was das und viele andere Elemente betrifft, spannt uns selbst diese Neuauflage laufend auf die Folter – buchstäblich!

Ist das schon Dark Souls?

Was bisher so fabelhaft klang, ist auch weiterhin fabelhaft, allerdings mit einem kleinen Haken. Denn Ys Memoire: The Oath in Felghana will euch leiden sehen, zumindest an modernen Standards gemessen. Dungeons haben beispielsweise keine eigene Karte und sind von Beginn an extrem verschachtelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr den ersten Boss verpasst, stattdessen aber plötzlich vor dem nächsten Obermotz steht, ihm aber keinerlei Schaden zufügen könnt, weil euch dafür schlicht das passende Equipment fehlt, ist äußerst hoch. Zwar dürft ihr diesen Fehler jederzeit korrigieren, doch beseitigt das ja nicht automatisch die Fragezeichen über euren Köpfen.

Vielleicht legt ihr deshalb auch mal eine kleinere Spielpause von wenigen Tagen ein und wollt euch danach partout nicht daran erinnern, wohin es als nächstes geht. Tja, viel Spaß, denn ein dedizierter Vermerk dafür bleibt dem sonst so übersichtlichen Menü fern. Markierungen fehlen ebenfalls, weshalb ihr ohnehin regelmäßig im Dunkeln tappen und euch beim Lesen antiquierter Walktroughs ertappen werdet – einfach nur, um wieder Orientierung und Anschluss zu finden. Wahrscheinlich stresst euch das so sehr, dass ihr angesichts des eh schon krassen Niveaus der Kämpfe demütig auf den einfachsten Schwierigkeitsgrad wechselt, nur um Sekunden später festzustellen, dass eure Lebenspunkte hier genauso purzeln, während Bosse weiterhin diese eine Taktik verlangen und mehrere Anläufe benötigen.

Eventuell habt ihr sogar Glück und bleibt derart lange in einem Dungeon hängen, weil ihr nicht versteht, an welcher punktgenauen Stelle ihr euch in einen Abgrund fallen lassen sollt, dass ihr bereits ein so hohes Charakterlevel erreicht habt, mit dem ihr euch der bunt gemischten Gegnerriege bloß noch erschöpft und martialisch entgegenstellt und quasi nichts mehr zu befürchten habt. Wobei…da selbst reguläre Heiltränke dem Titel hochnäsig fernbleiben und eure Regeneration eher feindlichen Drops und rettenden Levelaufstiegen vorbehalten bleibt, ist auch das kein Erfolgsgarant. Ihr merkt schon, das fühlt sich alles ziemlich nach verstaubten Videospielstrukturen und unnötigem Stress an, tatsächlich findet sich hier aber ein großer Teil der Magie von Ys Memoire: The Oath in Felghana. Ein bisschen Dark Souls ist das schon, aber eben auf die spaßige Art, sofern ihr euch daran gewöhnt habt. Immerhin fällt die Verteilung von Speicher- und Rücksetzpunkten fair aus, außerdem dürft ihr neben den Level-Ups auch proaktiv an der Kampkraft von Adol schrauben und beim Schmied eure Ausrüstung gegen spezielle Materialien verbessern. Zusätzlich sorgen unzählige Nebenquests für weitere Möglichkeiten, immer stärker und widerstandsfähiger zu werden, während eine gefüllte Spezialanzeige für kurzzeitig verbesserte Angriffe sorgt. Und schlussendlich ist ja auch grinding etwas, das damals zum guten Ton eines jeden (A-)JRPGs gehörte.

Ein moderner Klassiker

Ys Memoire: The Oath in Felghana erstrahlt im modisch aufpolierten Retro-Look und ähnelt optisch am ehesten einer klassischen J-RPG-Erfahrung aus der Zeit der Playstation 1. Kein Wunder, schließlich drehte der Titel ja bereits im Jahr 2005 auf PSP und der Playstation Vita seine Runden. Was damals noch als riesiger Schritt gegenüber des Originals von 1989 galt, präsentiert sich in der neuesten Auflage als Feinarbeit im Detail, die ihre größten Sprünge in der technischen Aufbereitung findet. Die von uns getestete Playstation 5-Version des Spiels lief stets in knackig scharfer Auflösung bei konstanten 60 Bildern pro Sekunde. Etwas merkwürdig, dafür aber wenig störend, empfanden wir das seltsame Bildstottern, sobald wir während der Testphase versehentlich gegen Wände liefen.

Ansonsten gibt es hier rein gar nichts zu meckern. Wer sich am grobkantig betagten Design allgemein erfreuen kann, erhält zusätzlich überarbeitete Charaktermodelle und verkleinerte 2D-Sprites mit größerem Fokus auf ihre Modelle, hat aber jederzeit die Möglichkeit, zum klassischen Look zu wechseln. Einer ähnlich aufwendigen Frischzellenkur durfte sich auch der Soundtrack unterziehen, denn der erklingt jetzt in höchstmöglicher Audio-Qualität aus den Lautsprechern und überzeugt atmosphärisch ein weiteres mal durch die gelungene Mischung aus verspielt-märchenhaften Klängen und treibend-rockigen Beats direkt aus den Tiefen der Dungeons. Sogar Hauptdarsteller Adol hat nun eine eigene Tonspur erhalten und kann sich, wie der restliche Cast übrigens auch, durchaus hören lassen. Darüber hinaus bietet Ys Memoire: The Oath in Felghana einige Quality-of-life-Verbesserungen, darunter einen Turbomodus und neu hinzugefügte Schwierigkeitsgrade.

Zum Schluss aber noch eine kleine Warnung, denn Ys Memoire: The Oath in Felghana wurde nicht für den hiesigen Markt lokalisiert. Euch erwarten also lediglich englische Bildschirmtexte und eine wahlweise japanische oder englische Sprachausgabe.


Ys Memoire: The Oath in Felghana ist seit dem 07. Januar 2025 für die Playstation 4 und 5 und die Nintendo Switch erhältlich. Digital zahlt ihr derzeit einen Preis von 29,99€ .

Für diesen Test von Ys Memoire: The Oath in Felghana wurde uns freundlicherweise ein Testmuster vom Publisher Marvelous Games zur Verfügung gestellt. Screenshots und Keyart stammen wie gewohnt aus dem offiziellen Pressekit.


Fazit – Score: 9/10

Ys Memoire: The Oath in Felghana ist ein Paradebeispiel für gut konservierte, gleichzeitig aber sinnvoll aufpolierte Videospielkunst. Den heiklen Spagat zwischen klassischer, actionbasierter J-RPG-Erfahrung und modernen Einflüssen, schafft der Titel mit zeitloser Bravour, indem er uns eindrucksvoll unter die Nase hält, was es eigentlich bedeutet, an den richtigen Stellen zu verbessern, ohne dabei die eigene Identität zu verlieren. Ich habe mich geärgert und verwundert mit dem Kopf geschüttelt, vor allem aber hatte ich riesigen Spaß. Mit dem schnörkellosen Kampfsystem, das stark durchdacht scheint und in seiner Dynamik nahezu süchtig macht. Mit einem Dungeon-Design, das sich wie ein Labyrinth vor mir ausbreitet und nicht davor zurückschreckt, mich mitten auf dem falschen Weg bloßzustellen, während der nächste Bossgegner einmal mehr unbesiegbar erscheint. Doch sind genau das die Momente, in denen mich Ys Memoire: The Oath in Felghana am meisten abholt und in denen ich die helfende Hand moderner Videospiele freudestrahlend loslasse, um mich voll und ganz auf dieses Erlebnis einzulassen. Was für mich mit einem Lacrimosa of Dana emotional zünden konnte, ist längst zur großen Liebe geworden. Zwar steht dieser Titel nicht unbedingt für die Stärke und Imposanz der letzten 3D-Hauptableger, doch spielerisch, atmosphärisch und sogar narrativ muss er sich keinesfalls verstecken. Im Gegenteil, Ys Memoire: The Oath in Felghana gehört in jede gut sortiere Videospielsammlung.

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