Like a Dragon: Infinite Wealth im Test – Like a Dragon? Like a GOTY!

Like a Dragon: Infinite Wealth ist endlich da und schafft es diesmal sogar als vollständig lokalisierter Release zeitgleich nach Europa! Like a GOTY oder doch eher Like a…ufgewärmte Standardkost? Schnappt euch das Hawaii-Hemd und findet heraus, wieviele Wortspiele mit diesem Titel noch möglich sind (und natürlich auch, was das Spiel auf dem Kasten hat).

Eigentlich könnte im Land der aufgehenden Sonne alles so schön sein: Geschlagene vier Jahre nach den turbulenten Ereignissen aus Yakuza: Like a Dragon, kehrt in den verwinkelten Straßen der zweitgrößten Metropole Japans endlich wieder Ruhe ein. Der perfiden Verschwörung zweier verfeindeter Yakuza-Clans und seiner eigenen Rolle darin scharfsinnig, vor allem aber schlagfertig auf die Schliche gekommen, genießt Protagonist Ichiban Kasuga mittlerweile den Ruf als Held von Yokohama. Mit viel Engagement und dem Selbstbewusstsein, am Ende doch noch ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft geworden zu sein, vermittelt die Frohnatur weiterhin ehrliche Arbeit an ehemalige Mafiosi. Während Ex-Polizist Adachi voller Stolz seine eigene Detektivagentur betreibt, haben auch Nanba und Saeko ihren Platz im urbanen Dschungel finden können. Inzwischen ist das facettenreiche Quartett sogar zu einem echten Freundeskreis gewachsen, der sich nach Feierabend regelmäßig auf ein paar Bier in der Karaokebar Survive trifft.

Doch das Glück scheint nur von kurzer Dauer, denn in den Straßen der fernöstlichen Großstadt spukt ein Zeitgeist, der die eigentlich noblen Motive der einstigen Heldentruppe ad absurdum führt und für Klicks und Reichweite missbraucht. Ausgerechnet trendige V-Tuber und mit Smartphones in der Hand fuchtelnde Video-Blogger sägen an der hoch angesetzten Karriereleiter und treten so eine Reihe von Ereignissen los, die unmissverständlich und sofort klar machen: Auch Like a Dragon: Infinite Wealth erzählt eine groß angelegte Geschichte und bedient sich dabei an irrwitzigen Analogien zur modernen Popkultur. Vor allem aber drängen die Geschehnisse Ichiban und Co. zurück in alte Strukturen, und damit auch zur fast aufgelösten Yakuza.

Was die erneute Zusammenkunft wirklich bedeutet, wieso der quirlige Zottelkopf im roten Sakko überhaupt auf Hawaii strandet und was Serienurgestein Kazuma Kiryu mit all dem zu tun hat, darüber liegt der mysteriöse Mantel des Schweigens. So viel sei verraten: Offenbar kommen einige Familienfehden der letzten Jahrzehnte noch immer nicht zur Ruhe und lassen am verzweigten Stammbaum neue Blüten treiben, die am besten im aufgeheizten Klima einer beschaulichen Insel des Pazifiks gedeihen…

Like a Dragon: Infinite Wealth – Alles neu macht Hawaii

Tatsächlich steht mit Like a Dragon: Infinite Wealth der allererste Übersee-Ausflug der traditionsreichen Serie an. Statt durch Neonlicht-getränkte Straßen in den Schatten riesiger Wolkenkratzer, zieht ihr nun erstmals über weitläufige Strände und schnuppert das saftige Grün der hawaiianischen Natur. Ein eher urbanes Setting hat das Eiland mitten im Pazifik zwar ebenfalls zu bieten, doch das entkommt seinem intuitiv trostlosen Vorbild dank einladender Promenaden und zahlreicher Sehenswürdigkeiten, die sich mit malerischen Sonnenuntergängen und im Wind wiegenden Palmen einen regelmäßigen Wettstreit um das schönste Panorama liefern. Und falls euch im subtropischen Setting dann doch der Sinn nach einer Abkühlung steht, locken die wogenden Wellen und frei erkundbaren Tiefen des Ozeans. Allzu weit solltet ihr aber dennoch nicht hinausschwimmen, denn wer weiß schon, welche Gefahren dort wirklich lauern…?

Zwischen Neo Samurai-Kino einer von Martial Arts durchsiebten Hollywood-Inszenierung und bittersüßem Kirschblüten-Drama…

Mal ganz ehrlich, im Prinzip fühlt sich das hier wie der Sprung von GTA III zum Nachfolger Vice City an – selbstverständlich in der gewohnt überdrehten, japanischen Version. Am spielerischen Kern treu festgehalten, sinnvoll ergänzt, hier und dort ein wenig feinjustiert, überzeugt vor allem der unverbraucht wirkende Tapetenwechsel, der zeitgleich die bislang größte Karte der Reihe hervorbringt und die elementare Ästhetik aus originellem, jederzeit aufgeräumt wirkendem UI-Design und signifikanten Sounds trotz allem beibehält. Ein durchaus mutiger Schritt, schließlich wird die Serie seit fast zwei Dekaden mit dem düsteren Bild mafiöser Machtspiele in vorwiegend städtischen Gebieten assoziiert. Scheuen solltet ihr den Standortwechsel jedenfalls nicht. Schließlich versteht es das verantwortliche Entwicklerstudio Ryu Ga Gotoku wie kein zweites, originalgetreu nachempfundene Orte als satirische Sammelbecken voll (pop-)kultureller Karikatur und überspitzter Abziehbilder zu interpretieren, ohne dabei ertränkend nach jenen zu greifen, die an der schimmernden Oberfläche im kitschig pinken Aufblas-Krokodil liegen und entspannt am bitter-blutigen Cocktail einer erneut rasant an Fahrt aufnehmenden Gangster-Geschichte schlürfen.

In seinen ernsten Tönen ist Like a Dragon: Infinite Wealth der schonungslose Gesellschafts-Thriller im Spiegel einer machthungrigen Subkultur, der seine narrativen Ideen in Geschichten über Familie, Ehre und Verrat entlädt. Während die verspielten Klänge eine eher lockere Atmosphäre zulassen und in ihrer als durchaus provokativ wahrnehmbaren, nahezu herablassenden Inszenierung einer Vollbild-Karikatur direkte Seitenhiebe auf Medienlandschaft und die Bevölkerung verteilt. Den Kontrast machen sich beide Elemente zu eigen und bilden daraus in beispielhafter Manier ein spannendes wie emotionales Erzählwerk, das nur selten vor albernem Wortwitz-Humor oder zynischer Selbstironie zurückschreckt. Diesmal sogar mit einem künstlerisch gelungenem Hauch Lost in Translation, schließlich gilt Hawaii als englischsprachiges Staatsgebiet der USA.

Zwischen Neo Samurai-Kino einer von Martial Arts durchsiebten Hollywood-Inszenierung und bittersüßem Kirschblüten-Drama, kennt Like a Dragon: Infinite Wealth jeden Pfad mit Namen, aber nimmt dabei keine Abkürzung. Es ist genau dieses extrem langsame Erzähltempo, das spielerisch zwar manchmal zehren kann, austauschbaren Japano-Klamauk aber zu einem sinnstiftenden Story-Epos macht. Seit jeher bietet die Reihe unglaublich starke Persönlichkeiten, die ihren Charakteren Nachvollziehbarkeit und glaubwürdige Entwicklung leihen und genau dort das intellektuelle Niveau erreichen, wo sich vertrauter Wiedererkennungswert freundlich dreinblickender Gesichter und das fratzenhaft verzerrte Antlitz schwerwiegender Wendungen respektvoll die Stirn bieten.

Allein Ichiban ist so ein unglaublich purer Protagonist, der den modrigen Mörderzirkus aus ernsthaftem Ehrgefühl der Yakuza und blutigen Familienfehden als goofy Charmebolzen gehörig auf den Kopf stellt und dabei mehr für einen stark sympathischen Kontrast, als für das nächste Abziehbild moderner Gangster-Attitüde sorgt. Gleiches gilt für den Cast, der den liebgewonnenen Trupp aus Nanba, Adachi und Co. zumindest vorerst auf die Ersatzbank schubst, damit aber gleichzeitig Raum für neue Akteure schafft, deren liebenswürdigen und realitätsnah dargestellten Persönlichkeiten einen mindestens genauso positiven und bleibenden Eindruck hinterlassen.

Vier Fäuste für ein Aloha

Die fliegenden Fäuste der Hauptreihe ruhen auch im zweiten Spin Off-Ableger. Statt aktivem Kampfsystem in Echtzeit, spendiert euch Like a Dragon: Infinite Wealth wieder rundenbasierte Auseinandersetzungen im Stil eines klassischen J-RPGs. Bis zu vier Team-Mitglieder prügeln hier nacheinander auf eine bunt zusammengewürfelte, gewohnt skurrile Truppe aus gegnerischen Widersachern ein oder greifen auf wahnwitzige Spezialmanöver zurück. Stärken und Schwächen solltet ihr dabei genauso gut im Auge behalten, wie die eigene Gesundheit und diverse Statuseffekte. Bei korrekter Tasteneingabe lassen sich Angriffe verstärken und sogar eingehende Attacken parieren, während Levelaufstiege, Ausrüstung und Items für zusätzliche Unterstützung sorgen. Mit einem ausgefeilten Klassensystem an der Hand, entscheiden taktisch interessierte SpielerInnen zudem vollkommen frei über Einsatzmöglichkeiten und Fähigkeiten einzelner Mitstreiter. Falls es brenzlig werden sollte, helfen einmal mehr die berüchtigten Poundmates als beschworene Superwaffen mit einem Augenzwinkern aus – vertraute Rollenspielkost eben.

…originalgetreu nachempfundene Orte als satirische Sammelbecken voll (pop-)kultureller Karikatur und überspitzter Abziehbilder zu interpretieren…

Aber selbst hier gilt: Alles neu macht Hawaii. Während der Scharmützel dürft ihr euch jetzt nämlich frei bewegen, zumindest innerhalb eines bestimmten Radius, und dadurch strategisch wertvolle Positionen einnehmen. Angriffe aus der Nähe oder aus dem Hinterhalt bewirken automatisch mehrfachen Schaden und ein brachiales Ansturm-Manöver verwandelt gleich eine ganze Gruppe in umgeworfene Bowlingpins. Sollte in der Nähe ein Verkehrsschild oder gar ein Fahrrad stehen, greift ruhig zu. Temporäre Waffen hinterlassen einen genauso bleibenden Eindruck wie Würfe gegen Wände oder das Verketten von Attacken durch Tag Team-Kombos. Und sobald die fies dreinblickende Fratze eines protzigen Widersachers Bekanntschaft mit der Motorhaube eines vorbeifahrenden Autos macht, geben sich Schaden und Freude rhetorisch die Klinge in die Hand. Kontrahenten stolzieren übrigens jederzeit sicht- und vermeidbar durch die Umgebung, während ein hilfreicher Indikator Aufschluss über ihre Stärke gibt. Solltet ihr den Bösewichten mit eurer Gruppenstärke weit überlegen sein, lassen sich bevorstehende Auseinandersetzungen per sogenannter Vernichtung auf der Stelle abschließen. Das spart zwar Zeit, aber gibt gleichzeitig einen Malus auf die erhaltenen Erfahrungspunkte. Für mehr Bequemlichkeit, sorgt dagegen die optionale Autokampf-Funktion.

Überraschenderweise mutet das sinnvoll überarbeitete Kampfsystem wie ein Hybrid aus klassisch-aktivem Yakuza-Gameplay und der neuartigen Ausrichtung traditioneller RPGs an. Endlich spielt auch für Ichiban die Kampfumgebung eine entscheidende Rolle, Angriffe lassen sich im Team verketten und während zweckentfremdete Alltagsgegenstände und Positionierung einen ebenfalls wichtigen Faktor darstellen, verpassen genau diese Änderungen dem zwangsläufig in die Jahre gekommenen Spielprinzip eine wohlverdiente Portion Dynamik. Dabei geht die Motivation, euch immer wieder in die durchaus herausfordernden Auseinandersetzungen zu stürzen, auch vom Gegnerdesign selbst aus. Ein paar stinknormale Raufbolde schaffen es zwar ebenfalls in den Kader, die meiste Zeit werdet ihr aber damit beschäftigt sein, einer wahnwitzigen Mischung aus karikierten Widersachern die Leviten zu lesen. Ob nun als im eigenen Schlafsack eingemummelt und wie ein Kokon herumzappelnde Obdachlose oder völlig entnervte Touris, die von der eigenen Freundin am Strand eingebuddelt wurden und nun, neben all dem Sand, auch ihre Aggressionen loswerden wollen: Hier bekommt jeder eine Faust zwischen die Augen und garantiert sein Fett weg.

Like A…nimal Crossing?

Nüchtern gesprochen, markiert das neue, große Feature von Like a Dragon: Infinite Wealth bloß einen weiteren Meilenstein spielerischer Designkunst. Mit der Insel Dondoko Island schleicht sich der Spaß einer vollwertigen Aufbausimulation in den ohnehin abwechslungsreichen Alltag unter Palmen, was schon fast einen alleinigen Kaufgrund für den Titel darstellt, hier aber ganz bescheiden und dadurch besonders sympathisch als eine von etlichen Nebenaktivitäten integriert wurde. Mit natürlichen Ressourcen baut ihr bei Touristen beliebte Objekte wie Möbel, aufregende Gebäude und Attraktionen, die im späteren Verlauf der von Hand durchgeführten Aufräumaktion zahlreiche Besucher anlocken und den eigenen Geldbeutel verheißungsvoll klingeln lassen. Die zur regelrechten Sucht verlockende Dynamik aus Sammelei, Investition und spürbarer Belohnung im individuellen Idyll, wird nur dann abwechslungsreich durchbrochen, wenn plötzlich Eindringlinge auf der Matte stehen und euch das ertragreiche Eigentum-Eiland mit lockerem Gruß von der Y’s-Reihe streitig machen wollen. Doch kein Schmerz vergangener Kämpfe ist so groß, dass es der unterhaltsam alberne Dialog zwischen zwei abgehalfterten TV-Maskottchen in voller Montur nicht wieder richten könnte…

Die absurd verformte Ähnlichkeit zur beliebten Hosentaschenmonster-Hatz begeht Like a Dragon: Infinite Wealth mit den Sujimon ebenfalls nicht ohne Grund. Erneut fleißig vom Tischnachbar abgeschrieben, verwurstelt der Titel das bekannte Konzept und gibt ihm eine ganz eigene Persiflage-Prägung. So erleben, dank unverbrauchter Einsatzmöglichkeiten, auch die Sujimon eine restaurierte Rückkehr. Irgendwann verliert ihr euch ganz bestimmt beim motivierenden Versuch, den Sujimon-Dex zu füllen, schließlich lassen sich die wandelnden Parodien problematischer MitbürgerInnen (keine niedlichen Knuddelmonster!) jetzt auch fangen, trainieren und in eigens dafür erschaffene Ligen schicken. Wer dagegen lieber Fortuna beim Ausbau der Sub-Truppe zur Hilfe bitten möchte, findet die lebendigen (!) Außenseiter sogar in käuflichen Gacha-Kugeln – ja, ziemlich bizarr.

…aber sobald euch das Spiel kulturellen Kontext in Form eines hawaiianischen Dankeschöns als völlig unsinnig übersetztes Bon Voyage verkaufen will…

Allerdings sind das bloß die großen Neuerungen des Titels. Like a Wundertüte lässt euch Infinite Wealth immer tiefer im sandigen Potpourri endlos erscheinender Nebenaktivitäten und Serientypischen Minispielen graben. Während Sidequests meist mit durchaus ernstem Unterton von gesellschaftlichen Schicksalen erzählen, lockt bereits die Arcade-Halle mit ihren blinkenden Automaten gefeierter Sega-Klassiker. Ein adaptiver Trigger-Support für Bass Fishing überrascht dabei genauso positiv, wie der interessante Rückblick auf den viel zu wilden 3D-Prügler Spike Out von 1998, der ganz nebenbei verrät, woher die Inspiration für das eigene, grundsätzlich aktive Kampfsystem der Yakuza-Reihe eigentlich stammt.

Bitte nicht vergessen: Like a Dragon: Infinite Wealth stockt hier lediglich auf. Bereits bekannte Aktivitäten sind weiterhin, teilweise sogar verbessert, mit an Bord. Auf fast schon konservativ-gemütliche Weise, versucht ihr euch also auch wieder an Mahjong, Poker und seinen etlichen Varianten, schmeißt gezielt mit Dartpfeilen durch die Bar und klärt in der nächsten Virtua Fighter-Iteration, wer die krassesten Kombos vom Stapel lässt. Die spaßige Pfandsammelei auf zwei Rädern des Vorgängers, weicht nun einer noch schnelleren, auffällig kurzweiligen Lieferjagd, die als Crazy Delivery dem großen, hauseigenen Vorbild Crazy Taxi ästhetisch wie spielerisch ein beachtliches Stück näher rückt und SpielerInnen die geplante Revision der Marke bereits stilvoll schmackhaft macht. Wem all das zu actionorientiert klingt, der versucht sich vielleicht lieber an einer irrwitzigen Interpretation moderner Online Dating-Apps oder schmettert die Tasten wie gewohnt zu rhythmischen Klängen beim Karaoke, dessen Playlist selbstredend mit völlig neuen Songs lockt und den ohnehin abwechslungsreichen Soundtrack aus mal entspannten Klängen, bedeutungsschwangeren Melodien und plötzlich wieder rockigen Giraffenriffs stimmungsvoll aufwertet.

Zusätzlich noch über eine jederzeit formbare, sinnvoll in sämtliche Aktivitäten integrierte Persönlichkeit, ulkige Dates mit liebeshungrigen Partnerinnen, sportliche Betätigung und so vieles mehr zu sprechen, sprengt diesen Rahmen hier ganz sicher, ist aber fester Bestandteil genau dieser Identität. Nach mittlerweile über 18 Jahren befindet sich die Reihe weiterhin auf der Jagd – nach neuen Ideen, mutigen Ansätzen nebst sinnvollen Ergänzungen und Highlights einer nie enden wollenden, clever über sämtliche Veröffentlichungen miteinander verwobenen Geschichte – und verhungert genau deswegen nicht. Zugegeben, der gierige Heißhunger versteht es genauso gut, in vollem Maße zu überfordern. Folge ich nun lieber der Hauptgeschichte oder stürze ich mich in interessant geschriebene Nebenquests? Ein paar Stunden lang die eigene Kampfkraft auf Vordermann zu bringen, täte sicher auch nicht schlecht. Ach, und diesen einen Highscore in der Arcade gilt es ja ebenfalls noch zu schlagen. Mist, jetzt klingelt das Handy schon wieder. Knappe 60 Stunden, die bereits genüsslich im zeitfressenden Schlund der Hauptgeschichte landen, klingen im Gesamtkontext wie ein seichter Scherz, schließlich verdoppelt ihr diese Zahl bei einer aufrichtigen Auseinandersetzung mit Like a Dragon: Infinite Wealth locker. Like a Wundertüte eben – ob ihr nun wollt, oder nicht.

Doch bedeutet das eigentlich auch: Quantität vor Qualität? Mitnichten, auf gar keinen Fall. Wie von Zauberhand fügt Entwickler Ryu Ga Gotoku Studio jeder einzelnen Aktivität genügend Substanz hinzu, um ihnen eine spaßig-individuelle, sämtliche Belohnungs-Synapsen im Kopf ansprechende Daseinsberechtigung zu verleihen. Manchmal funktioniert das besonders gut im Bezugsrahmen der aufgedrehten Atmosphäre, an anderer Stelle nehmen euch einzelne Posten der ellenlangen To Do-Liste derart ein, dass ihr den eigentlichen Plot darüber hinaus komplett vergesst. Respekt jedenfalls an Publisher Sega, diese Inhalte völlig selbstverständlich als Feature im Titel zu integrieren und sie nicht hinter einer Paywall zu verstecken. Oh, wait…

Bon Voyage?! Excuse me…?

Nach all dem Lob und der Begeisterung, ist es wohl endlich an der Zeit für Kritik. Besonders optisch wirkt Like a Dragon: Infinite Wealth immer noch ein wenig angestaubt. Zwar wächst die Detailverliebtheit für besonders hübsch animierte Gesichter, Bewegungen, sowie leckere Lichtreflexionen und -Effekte mit jedem Ableger stetig weiter, nerviges Kantenflimmern und der teils überholte Grundlook stehen dem aber unüberwindbar gegenüber. Außerdem merkt ihr der eingesetzten Engine deutlich an, dass sie bislang eher für ein urbanes Setting mit Design-bedingter Einschränkung der Weitsicht und einem vorwiegend nächtlichen Look in grell erleuchteter Neonlichtwerbung Verwendung fand. Das sonnenverwöhnte Hawaii enttarnt bisherige Stilmittel und gibt den Blick auf teils unschöne Texturen und technische Tadel frei – da hilft leider auch kein dynamischer Wetterwechsel oder die flotten Ladezeiten. Wirklich stören sollte das niemanden, aber es gibt eben noch Potential nach oben.

Zumindest schöpfen die sowohl englischen, als auch japanischen SprecherInnen dieses verfügbare Potential voll aus. Puristen greifen ohnehin sofort zum gelungenen Japan-O-Ton, während sich auch die englischsprachige Variante hören lassen kann und sämtliche in die Worte gelegten Emotionen stilvoll überträgt. Einzig und allein bei den deutschen Untertiteln lässt sich meckern, die sprudeln vor nervigen Bezugsfehlern nämlich nur so über. Seid ihr durch das Medium oder andere Einflüsse bereits fortgeschritten mit der englischen Sprache vertraut, fällt das Ungleichgewicht zwischen gesprochenen Worten und eingeblendetem Text besonders stark auf. Nervig ist das allemal, irgendwie ja noch verzeihbar, aber sobald euch das Spiel kulturellen Kontext in Form eines hawaiianischen Dankeschöns als völlig unsinnig übersetztes (wohlgemerkt französisches!) Bon Voyage verkaufen will, sollte selbst dem letzten Sprachmuffel das sonst so verwöhnte Ohr platzen. Ein typischer Kandidat aus der Kategorie: Dem zuständigen Übersetzungsstudio fehlte wieder mal der Bezug zum eigentlichen Werk. Fragwürdig, steht mit Sega doch ein überaus finanzstarkes Unternehmen hinter der Reihe.

Apropos, Finanzen. Ob ihr euch zur Veröffentlichung von Like a Dragon: Infinite Wealth für die Standard, die Deluxe oder gar die Ultimate Edition des Titels entscheidet, ist nicht länger nur eine Frage des guten Geschmacks. Exklusive Kostüme und hilfreiche Gegenstände, bzw. Erweiterungen für so ziemlich jeden Bereich des Spiels, machen besonders fleißigen SpielerInnen den Mund wässrig, für die digitalen Extras aber gleich 109,99€ zu verlangen, ist bestenfalls eine besorgniserregende Entscheidung, die einmal mehr Zweifel über die Zukunft der Branche sät. Eine noch größere Bombe lässt aktuell der New Game Plus-Modus platzen. Der ist derzeit überhaupt kein Teil der angebotenen Versionen, soll allerdings trotzdem zusätzliche Kosten verursachen, sobald dieser im Laufe der kommenden Wochen nachträglich erscheint.

Like a Dragon: Infinite Wealth ist eine Wundertüte voll spielerischer Überraschungen. Packend erzählt, oft urkomisch inszeniert, bietet der gelungene Mix aus Rollenspiel und Action Adventure erstmals wahres Urlaubsflair im unverbrauchten Hawaii-Setting. Mutig und innovativ zugleich, reichert Ryu Ga Gotoku Studios altbewährte Formeln mit frischen Zutaten an und bietet dadurch fast grenzenlos spaßiges Gameplay an so ziemlich jeder Ecke des Panorama-Idylls. Die gewohnt hohe Qualität gerät mit kleineren Technik-Mängeln, einem eher gemächlichen Tempo und der fragwürdigen DLC-Politik zwar manchmal in Streit, doch das kann längst nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir hier bereits einen DER Titel des Jahres haben. Like a Dragon? Like a GOTY! Unbedingt spielen!


Like a Dragon: Infinite Wealth erscheint am 26. Januar 2024 für Xbox, Playstation und den PC via Windows und Steam. Während die Standard Edition als Vollpreistitel mit den obligatorischen 69,99€ zu Buche schlägt, verlangen Deluxe und Ultimate Edition jeweils 84,99€, bzw. 109,99€ von euch.

Für diesen Test von Like a Dragon: Infinite Wealth auf der Playstation 5 wurde uns freundlicherweise ein Reviewcode vom Publisher Sega und unseren Medienpartnern bei Plaion zur Verfügung gestellt. Screenshots stammen aus dem offiziellen Presse-Kit.


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