Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis im Test – Wie Klassik-Resi auf Valium

Es darf sich wieder gegruselt werden. Mit nur wenigen Wochen Abstand zum heiß ersehnten Remake eines der prägendsten Titel im Survival-Horror-Genre, steht die Konkurrenz bereits ungeduldig auf der Matte. Aber wie heißt es doch so schön? Andere Mütter haben auch mordlustige Töchter, die uns die Lebensgeister mit aller Macht entziehen wollen, oder so. Von Gespenstern und Panzern, unser Test zu Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis auf der Xbox Series X.


Wenn dunkle Korridore den Weg pflastern, fiese Fratzen hinter jeder Ecke lauern, das quietschende Geräusch verzweifelt an kahlen Wänden kratzender Fingernägel überall zu vernehmen ist und grausame Rituale stattfinden, dann sprechen wir nicht etwa vom modernen Schulalltag, sondern meinen natürlich Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis. Der klassisch angehauchte Survival-Horror-Trip galt bislang als Japan-exklusiver Wii-Titel aus dem Jahr 2008 und betritt nun erstmals auch westliche Gefilde, um hiesigen Fans von paranormalen Phänomenen und geisterhaften Begegnungen das große Fürchten zu lehren. Mit ein paar technischen Verbesserungen und allerlei Schnickschnack im Gepäck, kann sich das vom japanischen Team Koei Tecmo entwickelte quasi-Remaster aber leider immer noch nicht von seinen längst überholten Wurzeln befreien und stolpert daher etwas unbeholfen und vor allem buchstäblich in die moderne Spielelandschaft.

Aktenzeichen Ying/Yang ungelöst

Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis erzählt sich aus gleich mehreren Perspektiven. Was sie jedoch vereint, ist das traditionelle Ritual auf der mittlerweile verlassenen Insel Rogetsu, das Kagura Fest. Dort verschwand vor gut zehn Jahren eine fünfköpfige Mädchenclique auf bislang unerklärliche Weise, konnte zum Glück aber von einem nicht minder mysteriösen Detektiv gerettet werden. Was sich damals auf dem Eiland wirklich zugetragen hat, darüber gibt ihnen das verlorene Gedächtnis längst keine Auskunft mehr, doch der Mord an zwei Mitgliedern der Gruppe nur kurze Zeit nach den schrecklichen Ereignissen, drückt der bösen Vorahnung aus schlaflosen Nächten und heftigen Flashbacks einen ernstzunehmenden Stempel auf, den die hinterbliebene und deutlich traumatisierte Dreiercombo nicht länger ignorieren kann und deshalb eine gefährliche Reise in die Vergangenheit antritt.

Während Misaki und Madoka die Insel frühzeitig erreichen und beim Besuch der örtlichen Heilanstalt – die gelten im Genre schließlich als besonders sicher – schon bald selbst in eine missliche Lage geraten, liegt es vorerst an Schlusslicht Ruka allein, den Ursprung der in ihrem Kopf unvergessenen Melodie zu ergründen und damit Licht ins Dunkel vergangener Tage zu bringen. Aber schafft sie es gleichzeitig auch, ihre Freundinnen vor dem gleichen Schicksal zu bewahren, das den Freundeskreis seit jeher heimsucht? Der Zentralrat der heimischen Geister scheint jedenfalls nicht besonders erfreut über den Besuch der flott bekleideten Damen…

Serien-Veteranen haben nach wie vor einen kleinen Vorteil, zumindest wenn es um das Verständnis zusammenhängender Narrativ-Parallelen geht, die auch Project Zero traditionsbewusst über mehrere Veröffentlichungen hinweg pflegt. Grundsätzlich erzählt sich die eigenständige Story aber verständlich genug, um auch NeueinsteigerInnen in das vom dichten Nebel umgebene Boot zu holen. Einen Oskar gibt es allerdings nicht, dafür wirken Charakterdarstellung und Inszenierung einfach zu sehr wie aus der Mottenkiste für Schauspielkunst in Videospielen von 2008. Logisch, inhaltlich hat sich gegenüber dem Original nämlich nichts verändert, was ja aber auch nicht automatisch bedeuten muss, dass wir uns da jetzt mit cineastischer Begeisterung draufstürzen, wenn es heutzutage eben kaum noch funktioniert. Aber Schwamm drüber, denn als schreckhaft inszenierte B-Movie-Erfahrung aus fernöstlichem Hokuspokus mit unverkennbar spirituell-okkultem Ju-on-Charakter, taugt der Plot von Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis allemal – selbst wenn das zeitweise angestrebte Arthouse-Niveau eines sich sensibel und hochkomplex dargestellten Silent Hill im hochfrequenten Teenie-Geschrei selbstverständlich sofort untergeht und bereits früh den höchstens noch trashig-originellen Charme der damaligen Grasshopper Manufacture-Mitarbeit verspüren lässt, bevor der Schuster mit No More Heroes II und Lollipop Chainsaw endlich wieder zu seinen Leisten zurückkehrte. Außerdem lauert hinter der nächsten Ecke bereits das Gameplay, das ganz andere Schrecken für uns bereithält…

Die Damen mit der üppigen Brennweite

Wie im Turnus der Serie mittlerweile üblich, reicht uns auch Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis lediglich eine Kamera als Bewaffnung gegen aufdringliche Schreckgespenster an die Hand und verzichtet somit auf ein klassisches Arsenal aus Pistolen, Schrotflinten und Gewehren. Mit der sogenannten Camera Obscura, einem wirklich altmodischen Fotoapparat, ziehen wir auf astrale Fotosafari und knipsen lästigen Geistern wortwörtlich die Lichter aus, was sich auch 2023 als gelungene Alternative zum gewohnten Genre-Geballer entpuppt und durch den abwechslungsreichen Einsatz immer noch zu begeistern weiß. Während wir normalerweise in der Verfolgerperspektive unterwegs sind und dabei durch dunkle Flure wandern, knarzende Treppen hinaufstapfen und nur scheinbar verlassene Verliese besuchen, wechselt das Spielgeschehen für seine Ego-Shooter-ähnliche Prämisse auf Knopfdruck in die First-Person-Ansicht und wir bekommen unsere eigentlich unsichtbaren Widersacher so erst zu Gesicht. Das tut dem angedachten Gruselfaktor ziemlich gut und sorgt gleichzeitig für ausnahmsweise gelungene Schockmomente, wenn uns das Spiel mit audio-visuellen Hinweisen bereits vor feindseligen Entitäten warnt, wir beherzt die Kamera zücken und plötzlich im vollen Bildausschnitt in das fürchterlich entstellte Antlitz eines umherirrenden Bösewichts blicken.

Damit diese Mechanik auch einen spielerischen Anspruch erhält, verpasst Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis jedem Schnappschuss eine eigene Bewertung, inklusive motivierender Punktzahl, die je nach Perspektive, Präzision, Schnelligkeit und anderen Werten mal deutlich höher, beziehungsweise niedriger ausfällt. Den flott steigenden Punktestand investieren wir an festgelegten, durchaus fair verteilten Speicherpunkten in Heilmittel und andere Items der Kategorie Notwendig, dürfen dort aber auch alternative Kostüme und anderen Japano-Klamauk einkaufen. Oder aber, wir stecken einen Teil des erlangten Scores in neue Filmrollen, die hier ähnlich handelsüblicher Munition fungieren. Denn auch wenn sich der Titel von gewöhnlichen Schießeisen distanziert, kommen Funktionsweise und Handhabung der Camera Obscura erstaunlich Originalgetreu daher. So lässt sich die analoge Fotokamera beispielsweise mit entsprechenden Materialen aufrüsten, verspricht dadurch kürzere Nachladezeiten beim Wechsel von Filmrollen, eine größere Brennweite für mehr Schaden und etliche andere Features, für die wir die düsteren Ecken der Insel unbedingt ausreichend erkunden sollten. Schließlich rüstet auch die Geisterwelt irgendwann gehörig auf, flitzt deutlich flotter durch den Sucher und teilt verheerenden Schaden aus, was bereits auf dem niedrigsten der anfangs drei wählbaren Schwierigkeitsgrade zu einer ordentlichen Herausforderung führt und uns übrigens knapp 15 Stunden lang in Angst und Schrecken versetzt.

…doch es hätte genauso gut ein passables Mittelmaß zwischen Atmosphäre und Spielbarkeit geben können, das uns zwar wehrlos, aber eben nicht wie die 300-Kilo-Version eines ausgewachsenen Faultiers fühlen lässt.

Für die teils knackigen und durchaus spaßigen Rätsel zücken wir ebenfalls das antiquierte Fotogerät und suchen quasi unentwegt die Umgebung nach wichtigen Hinweisen ab oder verbannen beispielsweise Geister aus verschlossenen Türen, um sie wieder begehbar zu machen. Sogar Sammelobjekte, teilweise in Form von spürbar freundlicheren Geistern, entdecken wir auf diese Weise und sammeln nebenbei etliche Zeitungsartikel und Memos auf, die der oftmals nur kryptisch erzählten Handlung erst ihren zusammenhängenden Sinn verleihen. Weil selbst der fleißigste Fotoapparat hin und wieder ein bisschen Ruhe verdient, greifen wir bei unseren unheimlichen Erkundungen auch mal zur Geistertaschenlampe, die einen ähnlichen Zweck erfüllt und dabei wohlige Erinnerungen an einen gewissen Klempner mit grünem Hut und seine Abenteuer in einem nicht minder heimgesuchten Hotel wecken.

Panzerdivision Hui Buh

Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis weckt vor allem Erinnerungen an alte Zeiten. Manchmal ganz bewusst, dank klassischem Leveldesign und vertrauter Atmosphäre, die wir auch heute noch genießen. Allerdings schickt uns der Titel auch eine ziemlich modrige Postkarte aus der Vergangenheit, die statt herzlicher Grüße, eine wenig willkommene Botschaft an all jene richtet, die bereits bei ihren Kindheits-Ausflügen nach Raccoon City an störrischen Kamerafahrten und unglaublich zähen Tank controls verzweifelt sind. Ja, auch im aktuellen Remaster-Anlauf gibt sich Project Zero erneut die denkbar größte Mühe, das angestaubte Genre-Erbe vollen Stolzes anzutreten, stolpert dabei aber buchstäblich noch ein paar Schritte weiter. Falls ihr die Steuerung von Leon, Claire und Co. jemals als behäbig empfunden habt, legt doch bitte nochmal die mittlerweile wohl ziemlich betagte Resident Evil-Disk in eure Playstation 1, nehmt vorher aber eine komplette Packung Valium ein (Disclaimer: Dieser Artikel rät nicht zu Drogenkonsum oder Arzneimittelmissbrauch!) und klebt eure Finger mit Sekundenkleber aneinander. Nur dann habt ihr ein ungefähres Gefühl davon, wie unfassbar träge sich die Charaktere in diesem Survival-Horror-Titel steuern lassen. Holt euch die PC-Version günstiger auf Instant Gaming.

Schon klar, das hatte alles mal den angedachten Grund einer gewissen Hilflosigkeit, die uns in bedrohlichen Umgebungen voller Zombies und Mutanten besonders wehrlos fühlen lassen wollte und wäre ja auch völlig obsolet, sobald wir wie Dante in Devil May Cry losflitzen und jeglichen Angriffen flink ausweichen könnten – schließlich lebt Capcoms auffallend dynamische Resi-Alternative genau davon und ihrer bloß noch optisch stilisierten Horror-Ästhetik – trotzdem übertreibt es Project Zero hier maßlos. Die Schultertaste zum Rennen halten wir eigentlich permanent gedrückt, sind damit aber immer noch langsamer als Sam Fischer beim Infiltrieren einer Ölbohrinsel auf dem Atlantik. Die Sensibilität der Kamera haben wir nach fünf Minuten genervt aufs absolute Maximum justiert, was ebenfalls nur einen kleinen Unterschied mit sich bringt. Auch hierbei erschließt sich uns selbstverständlich der Sinn, doch es hätte genauso gut ein passables Mittelmaß zwischen Atmosphäre und Spielbarkeit geben können, das uns zwar wehrlos, aber eben nicht wie die 300-Kilo-Version eines ausgewachsenen Faultiers fühlen lässt. Alles andere ist schlicht romantisiertes Kulturgut aus der Vergangenheit, wie zum Beispiel Haunting Ground, Clock Tower oder Rule of Rose, nur eben nicht die konsequent weitergedachte Qualität eines Resident Evil 4, das sich ja bereits damals, satte drei Jahre vor dem Release des Originals von Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis, deutlich actionreicher, agiler und mit gewissen Stalker-Horror-Elementen in eine vermeintlich alternative Richtung entwickelte, dabei allerding nicht vergessen hat, woher es eigentlich kommt und genau deswegen so ausgesprochen gut ankam. Jedenfalls ändern die alternativen Ideen im Gameplay zusammen mit der ohnehin schon behäbigen Steuerung überhaupt nichts an diesem Eindruck – im Gegenteil. Ständig ziehen wir die Hand beim Griff nach Items aus Versehen wieder zurück, weil uns die Industrie jahrelang gelehrt hat, die jeweilige Taste nur einmal drücken zu müssen, anstatt sie extrem lange zu halten, damit unsere GeisterjägerInnen auf die übergriffigen Händchenhalt-Versuche von Hui Buh und Konsorten reflexartig reagieren können und wir uns natürlich ordentlich erschrecken. Wobei auch das ein ganz besonderes Thema ist…

Fatal Frame-rate?

Denn, wie gruselig ist Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis denn nun eigentlich? Leider nein, leider gar nicht. Es sei denn AAAAHH, genau, es werden mal wieder inflationär Jumpscares verteilt, die die sonst so stimmungsvolle Kulisse mit günstigen Effekten zerstören und uns nur mehr angespannt vor plötzlichen Schockern durch die Spielwelt wandern lassen. Nicht etwa, weil sich langsam eine gewisse Stimmung aufbaut, die mit prickelnder Gänsehaut lediglich vermuten lässt, stilvoll andeutet und in ganz anderen Momenten zuschlägt, sondern mit der stumpfen Furcht im Nacken, gleich wieder ordentlich aufs Trommelfell zu bekommen. Nur ist das eben keine große Kunst, wenn uns aus heiterem Himmel, dafür erstaunlich oft, Soundeffekte und Geistergeschrei in doppelter Lautstärke um die Ohren fliegen. Schade, der unheilvolle Inseltrip hätte in seinem Horror gerne noch etwas subtiler ausfallen dürfen, die funktionierenden Grundpfeiler dafür legt der Titel mit beklemmenden Settings, überraschend modernen Lichteffekten und seinem immersiven Ambiente ja bereits aus. Glücklicherweise überzeugen Sounddesign und Soundtrack durch aufreizende Klänge und die dazu passenden Musikstücke, während die ausschließlich japanische Vertonung mit deutschen Bildschirmtexten für ein angenehmes, an die Originale geschmeidig erinnerndes Gefühl sorgen und deutsche SpielerInnen ohne erweiterte Sprachkenntnisse dabei nicht ausschließen.

Technisch läuft Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis übrigens einwandfrei, auch in der von uns getesteten Version für die Xbox Series X, und glänzt dort mit knackiger 4K-Auflösung bei weitestgehend stabilen 60 Bildern pro Sekunde. Angesichts verwaschener Texturen und der optisch auch sonst unverkennbaren Herkunft des Titels, wäre alles andere aber auch eine starke Nummer gewesen, wobei wir uns schon ein wenig wundern, warum der ziemlich aufdringliche Rauschfilter nur im umfangreichen, apropos neu hinzugefügten Fotomodus deaktiviert werden darf, nicht aber im normalen Spielverlauf, wo wir jederzeit den Drang verspüren, einfach mal beherzt auf den dicken Rahmen des Röhrenfernsehers zu hauen, um endlich wieder ein klares Bild zu erhalten.

FAZIT:

Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis lässt sich tatsächlich am besten mit seiner eigenen Prämisse, der analogen Fotografie, beschreiben. Der Blick in den Rückspiegel moderner Technik weiß durch klassische Ansätze, zeitlos gute Mechaniken und einen ganz eigenen Charakter erstmal zu begeistern, doch die starken Zeichen der Zeit bleiben nur jenen verborgen, die auch genügend Herzblut und Leidenschaft dafür aufbringen können.

Fans der Serie wissen ganz sicher, was sie hier erwartet, greifen also geistesgegenwärtig (hihi) zu, während sich alle anderen am unglaublich langsamen Spieltempo, der altbacken wirkenden Technik und wenig gelungenem Grusel stören und sich dadurch ein bisschen wie beim aufgezwungenen Gruppenfoto fühlen: Bitte lächeln!

WERTUNG:  68/100


Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis ist seit dem 9. März 2023 für Xbox, Playstation, die Nintendo Switch und den PC via Steam erhältlich. Hierzulande ausschließlich digital verfügbar, kostet euch die Standard-Version auf allen Plattformen 49,99€, während die Digital Deluxe-Edition mit zusätzlichen Kostümen aufwartet und dadurch 64,99€ verlangt.

Für diesen Test von Project Zero: Die Maske der Mondfinsternis auf der Xbox Series X, wurde uns freundlicherweise ein Reviewcode vom Publisher Koei Tecmo zur Verfügung gestellt. Screenshots stammen aus dem offiziellen, uns zur Verfügung gestellten Pressekit.


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