Hidden Agenda bei uns im Test

Eine Stadt in Angst und Schrecken

Eine Reihe von grausamen Morden, mit Sprengstoff präparierte Opfer und am Tatort hinterlassene Mausefallen – die unmissverständlich perfide Handschrift eines Serienkillers. Doch wer ist der Täter, der im örtlichen Morddezernat nur noch als Trapper bezeichnet wird? Handelt es sich wirklich um den für jene Taten ohnehin schon zum Tode verurteilten Finn oder sollten wir die nächsten 48 Stunden bis zu seiner Hinrichtung lieber dafür nutzen, einer weitaus grausameren Wahrheit auf die Schliche zu kommen?

Nach dem Teeny-Slasher Until Dawn, stellen die Entwickler von Supermassive Games erneut einen interaktiven Thriller auf die Beine, bei dem Wahrheit und Lüge oft nur schwer voneinander zu unterscheiden sind. Denn auch Hidden Agenda bietet wieder eine Vielzahl an optionalen Handlungssträngen, die je nach unserem Verhalten in Multiple-Choice-Dialogen und Quick-Time-Events, entweder zur wahren Identität des Mörders oder in eine Sackgasse führen. Etliche Entscheidungen auf Zeit erhöhen den Druck und so kann es mitunter auch passieren, dass die Ermittlungen durch unseren Tod ein frühzeitiges Ende finden.

Das verspricht eine gehörige Portion Wiederspielwert, den sich Hidden Agenda durch eine gewisse Designentscheidung leider auch ein wenig vermasselt. Für die Enthüllung des tatsächlichen Täters ist es völlig unerheblich, ob wir eine gute Spürnase haben oder komplett im Dunkeln tappen. Direkt nach dem Abspann serviert uns der Titel nämlich eine Cutscene, die den richtigen Täter enthüllt – dadurch geht der eigentliche Reiz der Narrative schon deutlich verloren. Doch sobald wir die Story erneut starten und mit frischem Wissen völlig andere Entscheidungen treffen, ist dieser vermeintliche Fehltritt schnell wieder verziehen. Plötzlich treffen wir auf bisher unbekannte Charaktere, lernen mehr über die Hintergründe des Killers kennen und geraten dadurch in gänzlich neue Situationen. Hidden Agenda lebt förmlich von diesem sich wiederholenden Erlebnis. Wer dem Titel nur einen Durchlauf gönnt, verpasst eigentlich das komplette Spiel. Denn auch wenn wir nun wissen, wer der Trapper ist, der Weg zu seiner Offenbarung ist ein verworrener, mit vielen Gefahren und schweren Entscheidungen gespickter Pfad.

Gute Miene zum bösen Spiel

Der Dramaturgie von Hidden Agenda kommt das ohnehin nur zugute. In seiner kinoreifen Präsentation glänzt der Titel mit einer verdammt düsteren, beklemmenden Atmosphäre und toll geschriebenen Charakteren, dessen Schauspiel stets überzeugt und vor allem nie übertrieben wirkt, wie es zum Beispiel in Until Dawn oft noch der Fall war. Außerdem bauen wir, trotz enorm kurzer Spieldauer von knapp zwei bis drei Stunden und dem anfangs etwas konfusen Quereinstieg, der wohl genau dieser Kürze geschuldet ist, äußerst schnell eine Bindung zu den Protagonisten auf. Wobei Bindung vielleicht das falsche Wort ist, denn Gefühle wie Zwietracht und Misstrauen sind allgegenwärtig.

Dabei tragen auch die hervorragenden Gesichtsanimationen zur dichten Leinwand-Immersion bei. Endlich hat Entwickler Supermassive Games es verstanden, eine realistische Mimik auf ihre Charakter-Modelle zu zaubern, die nun nicht mehr unfreiwillig komisch, sondern lebensecht wirkt. Ohnehin verdient Hidden Agenda in Sachen Technik ein ganz besonderes Lob. Ob nun Lichteffekte, Animationen oder der allgemeine Look, in vielen Momenten ist der Titel kaum noch von der Realität zu unterscheiden und schaut wirklich super aus. Der Sound kann da leider nicht ganz mithalten. Die deutsche Synchronisation stellt sich zwar als äußerst gelungen heraus und auch das Voice-Acting überzeugt, wer aber mal genau hinhört, erkennt häufig eine schlechte Aufnahmequalität ebendieser Stimmen. Hallende und dumpfe Unterhaltungen, so hat auch Hidden Agenda noch mit den gleichen Problemen zu kämpfen, die bereits Until Dawn plagten.

Hoffentlich ruft jetzt niemand an

Den Controller können wir übrigens getrost zur Seite legen. Hidden Agenda ist Teil der experimentellen PlayLink-Reihe von Sony und wird somit ausschließlich über das Smartphone, bzw. das Tablet gesteuert. Wer übrigens noch eines der betagten Windows Phones sein Eigen nennt, wird von der Jagd nach dem Serienkiller ausgeschlossen – Microsoft bietet schlicht keine entsprechende Companion App an. Während der Einzelspieler-Geschichte wirkt diese Art der Steuerung jedenfalls noch etwas überflüssig, denn im Grunde bewegen wir den Cursor auf dem großen Bildschirm nun lediglich über einen Touchscreen, anstatt einfach die Sticks des Playstation 4 Controllers zu verwenden.

Erst im Mehrspielermodus blüht das innovative Konzept so richtig auf. Da heutzutage fast jeder ein Smartphone besitzt, müssen wir uns also auch keine Gedanken mehr darüber machen, ob unsere Freunde überhaupt mitspielen können – den Controller haben sie ja quasi schon dabei. Im Test konnten wir sogar eingeschworene Nicht-Zocker davon überzeugen, eine Runde Verbrecherjagd mit uns zu spielen. Und siehe da, niemand hat frühzeitig das Handtuch geworfen, alle wollten sie unbedingt das Ende dieses spannenden Psycho-Thrillers miterleben.

Zwietracht unter besten Freunden

Vielleicht lag es aber auch am äußert gelungenen Konzept, das der Mehrspielermodus von Hidden Agenda verfolgt. In der Punktejagd erleben wir zwar die selbe Geschichte, einige Nebenaufgaben sorgen dabei aber für garantierten Nervenkitzel und ordentlich Diskussionsbedarf unter den Mitspielern. Die Entscheidung in den Multiple-Choice-Dialogen fällt ganz demokratisch aus. Stimmen beispielsweise vier von maximal sechs Beteiligten für eine bestimmte Antwort, wird diese natürlich auch ausgewählt. Zu zweit sieht es da schon etwas anders aus. Hier sollte sich bereits vor dem Bildschirm geeinigt werden, denn unsere Abstimmung muss in jedem Fall einheitlich sein. Es sei denn, wir zücken eine Joker-Karte, die wir zuvor durch erfolgreiche Quick-Time-Events oder das gemeinsame Finden von Beweismitteln verdienen konnten. Mit der setzen wir nämlich das Stimmrecht sämtlicher Mitspieler außer Kraft und dürfen somit ganz allein über den Ausgang der aktuellen Konversation bestimmen.

Diese Joker sollten wir allerdings nicht für belangloses Gerede verheizen. Zwischendurch bekommen wir immer wieder kleine Spezialaufträge auf unser Smartphone oder das Tablet geschickt. So müssen wir anstehende Dialoge in eine bestimmte Richtung lenken oder sogar das Ableben eines bestimmten Charakters herbeiführen. Die Verteilung der Missionen erfolgt ganz offiziell mit voriger Ankündigung, was etwas schade ist, denn so weiß jeder gleich Bescheid und kann verstohlen zum Mitspieler linsen. Schließlich erhalten nicht alle Beteiligten einen Auftrag und diejenigen ohne einen, müssen herausfinden, wer hier den Maulwurf mimt. Bestenfalls erraten und vereiteln sie seine Pläne noch, denn letztendlich gibt auch das Punkte.

Leider sind diese Aufträge nie so konstruiert, dass wir sie von langer Hand planen müssten. Es gibt halt irgendwann diese eine entscheidende Situation, in der wir unser Ziel durchsetzen sollten, was zudem auch noch vom sonst sehr hilfreichen Kommentator angekündigt wird. Spieler mit angehäuften Joker-Karten haben also schon mal einen ordentlichen Vorteil, um ihre Mission zu erfüllen. Es wäre wohl klüger gewesen, die Ankündigungen komplett wegzulassen und Aufträge zu verteilen, die sich über mehrere Dialoge erstrecken.

Trotzdem entwickelt sich dabei so eine gewisse Pokerface-Mechanik. Im Wettkampf gegen nur einen Freund hatte ich es mir irgendwann angewöhnt, bei der Aufgabenverteilung möglichst lange auf das Smartphone-Display zu starren, um so den Eindruck zu erwecken, ich hätte auf jeden Fall eine Mission erhalten, die ich mir halt konzentriert durchlese…obwohl mir Hidden Agenda in diesen Momenten natürlich keinen Auftrag zugeteilt hatte. Wirklich toll, wie Supermassive Games es schafft, das misstrauische Gefühl, das uns die komplette Story über verfolgt, auch auf das heimische Sofa zu projizieren.

Wem das alles zu stressig erscheint, der zockt einfach mit Freunden den ganz normalen Story-Modus. Hier erleben wir, fernab von hinterlistigen Täuschungsmanövern und der Gier nach Punkten, gemeinsam und relativ entspannt die Geschichte von Hidden Agenda. Lediglich ein paar psychologische Fragen werden uns zwischendurch noch gestellt. Zum Beispiel, welcher der Mitspieler in einer gefährlichen Situation einen kühlen Kopf bewahren würde. Dieses Charakterprofil merkt sich das Spiel dann und greift es irgendwann wieder auf, indem es ebenjenen Spieler eine bestimmte Situation alleine bewältigen lässt.

Völlig egal, ob ganz alleine oder mit mehreren Freunden, beide Erfahrungen haben in Hidden Agenda ihre eigene Berechtigung und ersetzen sich nicht zwangsläufig. Gemeinsam geht es einfach kommunikativer zu und wir erleben das vom Spiel propagierte Misstrauen eben auch vor dem Bildschirm, als Einzelspieler konzentriert man sich hingegen ein bisschen besser auf die Story.

Einen technischen Unterschied zwischen Smartphone oder Tablet gibt es übrigens nicht. Beide Geräte reagieren gleich schnell und bieten auf ihrem Display genügend Platz, um den Cursor störungsfrei bewegen zu können. Da sich auch ein Kompendium der Protagonisten und eine ausführliche Fallakte über die App öffnen lassen, ist das Tablet aufgrund des größeren Bildschirms vielleicht ein klein wenig im Vorteil, zumindest was Übersicht und Lesbarkeit der Texte betrifft.


Hidden Agenda ist seit dem 24. Oktober 2017 exklusiv für die Playstation 4 erhältlich. Für einen äußerst fairen Preis von knapp 20 Euro, dürft ihr den Titel digital oder als Disk-Version erwerben.

Der Test, sowie alle Screenshots, basieren auf unserer Test-Version von Hidden Agenda, die uns freundlicherweise von Sony zur Verfügung gestellt wurde.

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