Völlig verrückte Visual Novel mit starken Charakteren, aber schwachem Gameplay – Danganronpa Another Episode: Ultra Despair Girls für die Playstation 4 bei uns im Test.
Was für ein Schlamassel!
Naturkatastrophen und ein alles zerstörender Krieg legen die Welt in Schutt und Asche. Das kennt man ja schon. Zu ihrem vermeintlichen Glück, bekommt Protagonistin Komaru Naegi von der absoluten Apokalypse aber überhaupt nichts mit. Die zaghafte Schülerin wird nämlich seit geraumer Zeit in einem Apartment gefangen gehalten. Wieso, weshalb, warum – das müssen wir erst noch in Erfahrung bringen.
Doch vorerst bleibt dafür gar keine Zeit. Als rasiermesserscharfe Klauen unserer Gefangenschaft im goldenen Käfig ein jähes Ende bereiten, geraten wir in einen Strudel bizarrer Ereignisse, die so schnell nicht mehr loslassen. Eine Gruppe von Kindern, die Warriors of Hope, hat es sich zur Aufgabe gemacht, alle Erwachsenen in der postapokalyptischen Towa City um die Ecke zu bringen. Selbstverständlich werden auch wir zu einem Teil ihres mörderischen Spiels. Die von ihnen kontrollierten Monokumas – böswillige Teddybären mit unnachgiebig tödlichen Absichten – machen eine direkte Flucht aus der ohnehin krisengebeutelten Stadt schier unmöglich. Vielleicht kann uns ja die Future Foundation, die den Kids unlängst den Kampf angesagt hat und ihnen mit Anzügen und modifizierten Megaphonen entgegentritt, helfen? Oder ist Toko Fukawa unsere größte Rettung in der Not – eine, nunja, Person sondergleichen, dessen zweite Persönlichkeit als brutaler Serienkiller gilt?
Ok, der Plot mag zwar etwas austauschbar klingen, doch sind es vor allem die obskuren Charaktere und dieser morbide Mix aus Ernsthaftigkeit und komplett überzogenen, fast schon sarkastischen (Gewalt-)Darstellungen, die Danganronpa Another Episode: Ultra Despair Girls zu einem unvergleichlichen Erlebnis werden lassen. Was hier wie ein Spaß wirkt, ist oft bitterer Ernst. Die Monokumas zum Beispiel erscheinen auf den ersten Blick äußerst niedlich, doch wenn die Roboter-Stofftiere in einer flotten Cutscene über etliche Passanten herfallen, wissen wir: Mit denen ist garantiert nicht gut kuscheln. Dabei können wir uns dann oft gar nicht entscheiden, ob wir jetzt wegen der übertriebenen Dramatik schmunzeln oder doch ernst auf den Bildschirm schauen sollen.
Vertrautes Chaos
Mit Danganronpa Another Episode: Ultra Despair Girls verhält es sich grundsätzlich ähnlich, wie mit allen anderen Spielen, die von einem starken Fernost-Flair geprägt sind – entweder ihr könnt damit sowieso etwas anfangen oder eben nicht. Der Humor ist gewohnt albern, bedient sich dafür auch mal an sexuellen Untertönen, rutscht aber nie auf eine peinliche Ebene ab. Zusammen mit den vielen popkulturellen Anspielungen und den serientypischen Seitenhieben in Richtung japanischer Leistungsgesellschaft, ergibt sich ein eher satirisches Gesamtbild – fast so, als würde sich Ultra Despair Girls selbst nicht so ganz ernst nehmen.
Unbekannt ist die Reihe jedenfalls nicht. 2014 fand sie mit Danganronpa: Trigger Happy Havoc ihren Einzug auf der europäischen Playstation Vita. Der Nachfolger, Danganronpa: Goodbye Despair, folgte noch im selben Jahr. Seit März 2017 dürfen auch Spieler auf der Playstation 4 ran und beide Titel in einer leicht aufgearbeiteten Compilation – Danganronpa 1-2 Reload – zocken.
Während die Vorgänger im Gameplay noch ausschließlich auf eine Visual Novel-Mechanik mit Murder Mystery-Aspekten setzen, ihr also kaum tatsächlich spielt und mehr eine digital präsentierte Geschichte verfolgt, geht es in Ultra Despair Girls schon deutlich interaktiver zur Sache. Und hier findet sich leider auch schon der größte Knackpunkt des Titels.
Ladehemmungen
Da es sich bei Ultra Despair Girls um ein Spin-Off der Reihe handelt, hat Entwickler Spike Chunsoft auch ein alternatives Gameplay gewählt. Klicken wir uns also nicht gerade durch toll geschriebene Dialoge mit zweidimensionalen Charaktermodellen oder schauen uns eine der zahlreichen Sequenzen in aufpolierter Spielgrafik oder gar in Anime-Pracht an, machen wir in Third-Person Shooter-Manier Jagd auf die gefährlichen Monokumas. Und was jetzt vielleicht noch wie eine gelungene Abwechslung zum spielerisch eher drögen Visual Novel-Alltag klingt, gestaltet sich leider schnell zum wahren Alptraum von Ultra Despair Girls.
Die Idee, uns ein Megafon in die Hand zu drücken, das die unterschiedlichsten Projektile verschießt – mit den geladenen Truth Bullets können wir Gegner paralysieren, sie in Brand stecken, zum Tanzen bringen und damit sogar kleinere Rätsel lösen – ist ja ganz nett, sie scheitert allerdings kläglich an ihrer Umsetzung. Die störrische Kamera ist dabei noch das kleinste Problem. Viel mehr frustriert der ewig gleiche Ablauf der Shooter-Passagen, das eintönige Leveldesign und ein Zielsystem, das an die Vergangenheit von Resident Evil erinnert – das Gunplay lässt schlicht keine Freude aufkommen.
Mit gefüllter Spezialanzeige schlüpfen wir aber hin und wieder auch in die Haut von Komarus neu gewonnener Freundin Toko – die mit der gespaltenen Persönlichkeit. Ihr zweites, deutlich brutaleres Ich, verwandelt das Geschehen für kurze Zeit in eine Hack and Slay-Orgie, bei der zwar endlich so etwas wie Dynamik aufkommt, dank fehlender Anvisier-Funktion aber die Übersicht flöten geht. Schade drum. Wenigstens sorgen kleinere Denksportaufgaben, Sammelgegenstände in Form von Literatur und das Säubern von Räumen, das immer etwas Taktik erfordert, für ein wenig frischen Wind im schnell angestaubten Spielgeschehen. Außerdem wird unser Spielstil fortlaufend bewertet, was zu unterschiedlichen Enden führen kann.
Klingt gut
Anders als noch für die beiden Vorgänger, hat man sich bei Danganronpa Another Episode: Ultra Despair Girls für eine fast vollständige Vertonung der Dialoge entschieden. Egal, ob wir nun den aufwendigen Anime-Sequenzen beiwohnen oder uns durch zahlreiche Textboxen klicken, die überzeugenden Stimmen der jeweiligen Sprecher erklingen nun wesentlich öfter. Das motiviert auch auf technischer Seite ungemein, der spannenden Story und ihren zahlreichen Wendungen aufmerksam zu folgen. In seiner Präsentation begeistert Ultra Despair Girls aber genauso mit den rasant geschnittenen Zwischensequenzen. Zu dem grotesken Mix aus überdrehter Popkultur und postapokalyptischem Szenario gesellt sich ein eigens für den Titel komponierter Soundtrack aus allen erdenklichen Genres, der diesen Kontrast nochmal gehörig unterstreicht.
Ansonsten schaut es auf technischer Seite eher mau aus. Wir laufen durch karge, statisch beleuchtete Schlauchlevels und erblicken nur wenige Details, dafür aber extrem matschige Texturen. Allzu sehr sollte das allerdings nicht verwundern, denn auch dieser Ableger ist eine Portierung von der Playstation Vita. Optisch wurde zwar etwas nachgezogen, insgesamt bleibt die technisch relativ schwache Herkunft aber nicht verborgen. Immerhin dürfen wir nun frei zwischen der englischen und japanischen Sprachausgabe wählen. Auf deutsche Bildschirmtexte müssen wir jedoch weiterhin verzichten.
Woher weißt du das?
Unbedingt notwendig ist das Spielen der beiden Vorgänger nicht, um die Geschehnisse in Ultra Despair Girls zu verstehen, ratsam allerdings schon. Oft kommt es zu Begegnungen mit wichtigen Charakteren aus früheren Ablegern und selbst unsere Protagonistin ist keine Unbekannte. Die Story bleibt auch ohne große Verbindung zum weitreichenden Danganronpa-Universum unterhaltsam, verliert dabei aber einiges von ihrer erzählerischen Intention. Nachzügler sollten also schnell aufholen, am 29. September 2017 erscheint bereits der vierte Ableger, Danganronpa V3: Killing Harmony – diesmal zeitgleich für Playstation 4 und Playstation Vita.
Der Test basiert auf unserer Playstation 4-Testversion von Danganronpa Another Episode: Ultra Despair Girls, die uns vom Publisher NIS America freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde.
Für knapp 30 Euro, digital und physisch, dürft ihr die mysteriösen Geschehnisse in Towa City seit dem 23. Juni 2017 auf der Playstation 4 verfolgen. Seit dem 27. Juni ist auch eine Version für den PC erhältlich.